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Schweizer Industrie: Wenn man muss, geht einiges

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7 Minuten Lesezeit
Mit Insights von...

  • «Cash is King»: Viele Unternehmen melden Kurzarbeit an und setzen Innovationsprojekte aus

  • 94% der Befragten gelang die Umstellung auf Homeoffice «besser als erwatet»

  • Gemäss 78% der Interviewten wird die Reisetätigkeit nachhaltig abnehmen

  • Nur gerade 10% passen Corona-bedingt ihre Supply Chain an

Kurzfristig führte die Corona-Krise bei der Schweizer Industrie zum Stopp von Innovationsvorhaben. Der äussere Druck hat aber auch nachhaltig neue Wege aufgezeigt. Dies zeigt eine Befragung bei 19 Schweizer Industrieunternehmen.

Bei vielen Industrieunternehmen rückten Innovationsprojekte durch die unmittelbaren Herausforderungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise in den Hintergrund. Doch handelt es sich hier um eine Schockstarre oder um einen nachhaltigen Trend? Und was bedeutet Corona für die längerfristige Zukunft? Zühlke hat 19 CXOs und Innovationsleader zum Einfluss von Corona auf die Innovation der Schweizer Industrie befragt. Die Resultate zeigen, dass Corona nicht nur negative Auswirkungen hat, sondern auch viel Potential und neue Wege der Innovation aufzeigt. Es drängt sich die Frage auf, ob die Schweizer Industrie ohne Krisen überhaupt überleben kann?

«Cash is King» vs. Vorsprung durch Innovation

Knapp die Hälfte der befragten Industrieunternehmen hat die interne Innovation verzögert oder gar weitgehend eingestellt und Kurzarbeit angemeldet. Und fast alle haben externe Investitionen kritisch geprüft und reduziert. Der Ausdruck «Cash is King» ist hoch im Kurs. Die andere Hälfte jedoch lastet die Teams weiter voll aus, konnte alle Timelines halten und hat sogar punktuell die Innovation erhöht aus Angst vor Disruption.  

Unabhängig davon hat die Krise bei allen einen Drang zur Innovation ausgelöst. Viele wollen die Zeit nutzen, um einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz auszuarbeiten. So hielten auch einige kleinere Firmen ohne die schützende Masse der Konglomerate ihren Innovationskurs weiter ein oder bauten diesen sogar aus. Nicht jeder ist jedoch in dieser komfortablen Lage und so befinden sich dann eben doch einige in dem Spannungsfeld zwischen Liquidität und Innovation wählen zu müssen, verursacht durch grosse Absatzeinbrüche.

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Die Zeit der unbegrenzten Möglichkeiten

In Zeiten von Corona beeinflussen nicht bloss die finanziellen Möglichkeiten die Innovationsfähigkeit. Mangelnder Zugang zu Gebäuden, Testständen, Prototypen und Labors prägen den Alltag genauso wie Reiselimitierungen und Lockdowns. Produktionslinien im Ausland müssen ohne lokales Personal hochgefahren und ganze Anlagen auf anderen Kontinenten in Betrieb genommen werden. Klingt nach einem Horrorszenario. Dies sind nur einige Beispiele aus der Befragung. Das Fazit ist aber immer das gleiche: «Es ist verblüffend, was möglich ist, wenn man muss». Die verschiedenen Einschränkungen zwangen zu schnellen Entscheidungen und entsprechendem Handeln, aber zeigten auf was mit kreativen Ansätzen und konsequentem Willen machbar ist. Und es wäre falsch die neuen Ansätze als einfache Workarounds abzutun, denn alle Beispiele brachten auch viel Fortschritt mit sich und werden wohl teils oder sogar ganz zum neuen Status Quo werden.

Homeoffice als Erfolgsgeschichte

Das prominenteste und universellste Beispiel für den neuen Status Quo ist das Homeoffice. Überwältigende 94% der Befragten gaben an, dass die Umstellung besser lief als erwartet und viele empfanden Remotearbeit sogar als effizienter als die Arbeit vor Ort. Vor allem Grossfirmen profitieren von der konsequenten Remotearbeit, während KMU noch deutlich stärker an einer traditionellen und lokalen Arbeitskultur hängen.

Aber nicht alles geht remote besser. So hatte niemand eine gute Antwort, um die Zufallsbegegnungen bei der Kaffeepause digital zu replizieren. Einige Unternehmen setzen virtuelle Kaffeepausen auf. Dies hat geholfen, war aber kein vollwertiger Ersatz.

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Das Travelling-Salesman-Problem

Vielen ist das Travelling-Salesman-Problem ein Begriff aus der Computer Science. Mit Corona bekommt das Problem eine komplett neue Bedeutung. In den Bereich Verkauf und Support - traditionell eher selten mit Innovation verknüpft – wird sich hier viel verändern. Denn Reisen ist äusserst kostspielig und sehr zeitintensiv. Und dank Corona wurde das Paradigma, dass man für Sales vor Ort sein muss durchbrochen. So glauben 78% der Befragten, dass die Reisetätigkeit abnehmen wird, wobei die Hälfte davon sogar von einer deutlichen Reduktion ausgeht. Es zeigt sich, dass eine Verschiebung von seltenen Meetings vor Ort, zu kurzen, regelmässigen Videocalls, eine bessere Kundenbeziehung mit mehr Kontinuität erlaubt. Somit wird sich die Frage stellen, wer in Zukunft noch bereit sein wird, Reisekosten zu tragen. Denn entweder bezahlt diese der Kunde mit einem Premium im Preis oder der Hersteller mit einer reduzierten Marge.

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Was bedeutet Corona für die Produktstrategie?

Corona hat viel bewegt und so haben diverse Interviewpartner bestätigt, dass sich existierende digitale Lösungen beschleunigt haben. Nicht selten war es die eigene Salesforce, bei welcher die grösste Änderung zu sehen war und somit digitale Lösungen plötzlich stärker in den Markt getragen werden. Aber auch die Offenheit der Kunden über digitale Lösungen zu sprechen hat zugenommen. Nicht selten mit dem Ziel weniger von Personen vor Ort abhängig zu sein. Dies untermauert den bestehenden Trend zur vermehrten Autonomie von Produkten im Feld. Dabei scheint es noch selten das Ziel zu sein, vollständig autonome Systeme zu entwickeln, stattdessen liegt der Fokus darauf die Komplexität vor Ort zu reduzieren. Dieser Trend in Kombination mit den oben erwähnten Veränderungen im Kundenumgang sorgt für nachhaltige neue Möglichkeiten das Geschäft zu optimieren und birgt somit viel Potential für Disruption.

Bringt Corona die Produktion wieder zurück in die Schweiz?

Es zirkuliert die These, dass die Supply Chain wieder verstärkt zentralisiert wird und Produktionen gar in die Schweiz zurückkommen. In unserer Befragung haben jedoch nur zwei Unternehmen die Möglichkeit einer leichten Lokalisierung wegen Corona gesehen. Der Rest sieht keine, durch Corona verursachte, Tendenz zurück in die Schweiz. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die Supply Chains haben zwar alle gewackelt, aber fast nirgends führte die Krise zu Produktions- oder Lieferstopps. Die Schweizer Industrie hat die Supply Chain gut im Griff und soweit auf die eigenen Bedürfnisse optimiert, dass eine grosse Änderung wenig Sinn macht. Bei Grossfirmen ist jedoch ein Trend zu mehr Vorsicht mittels Lagerhaltung und Dualsourcing zu erwarten. Nicht zuletzt, da Corona das Bewusstsein für mögliche andere Krisen wie Naturkatastrophen, geopolitische Unsicherheiten oder neue Pandemien wieder gestärkt hat.

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Das Undenkbare wurde möglich

Die Interviews haben klar gezeigt, dass vieles geht, und sogar ganz gut geht, was vorher als undenkbar angenommen wurde. Natürlich hatte das teils mit der plötzlich erhöhten Offenheit der Kunden zu tun, aber das meiste kam zustande, da es einfach keine internen Ausreden mehr gab und die alten Muster durchbrochen werden mussten. Nun realisiert man das Potential in den neuen Ansätzen. Ein Interviewpartner erklärte, dass sie in drei Zonen denken. «Pain Zone», «Out of Comfort Zone» und «Learning Zone» und nachdem sie die ersten beiden durchschritten haben, sind sie nun daran zu konsolidieren und aus den Ereignissen systematisch zu analysieren was in Zukunft übernommen werden kann. So werden die Drohnenflüge, welche mangels lokaler Präsenz zur Überwachung beim Aufbau neuer Anlagen verwendet werden mussten, nie mehr verschwinden. Die gewonnenen Erkenntnisse durch die häufigen Drohnendaten sind viel zu wertvoll, als das man wieder ohne leben möchte. Künftig werden deutlich mehr autonome Drohnen im industriellen Einsatz sein. So etablieren sich moderne Ansätze, welche vor allem die Effizienz aber auch Agilität und Qualität positiv beeinflussen.

Weiter zeigt sich, dass die Supply Chain, die Produktion und die Technologie kaum Probleme darstellen, selbst in solchen Krisen nicht. Die Schweizer Industrie ist stark und effizient rund um etablierte Prozesse und perfektionieren diese und die Produkte nur zu gerne. Als Hochlohnland kann die Schweiz auch gar nicht anders. Aber dies bringt intrinsisch eine Schwäche gegenüber radikal neuen Ansätzen. Und genau hier helfen uns die Krisen immer wieder, die bestehenden Muster zu durchbrechen und uns neue Wege aufzuzeigen. Einige Industrien werden in den kommenden Jahren eine disruptive Phase durchleben und auch im War-for-Talents wird sich viel ändern. Wer nur zurück zum «Old Normal» will, wird Probleme bekommen gegen diejenigen zu bestehen, welche die Chancen der Krise zu ihrem Vorteil nutzen und eine neue Normalität akzeptieren.

Die Spitze des Eisberges

Für mich persönlich ist es immer ein wichtiges Zeichen, wenn etwas besser funktioniert als man es gedacht hatte. Es ist eine Indikation, dass unter der Spitze, die man sieht, noch ein ganzer Eisberg liegt. Ich denke die Führungskräfte der Schweizer Industrie können nun sehr viel davon profitieren, wenn man sich die Zeit nimmt, diese Vorfälle systematisch zu analysieren und zu eruieren was man noch erreichen kann, wenn man in diese Themen nachhaltig investiert und der möglichen Veränderung offen gegenüber steht. Dies ist nicht einfach, die Zeiten sind hektisch, die Kalender voll und wir Menschen tendieren bekanntlich dazu immer wieder in unsere alten Muster zurück zu kehren. Umso wichtiger ist es, sich diese Zeit aktiv zu nehmen, um diese einmalige Chance nicht zu verpassen. Gerne biete ich auch die Möglichkeit meine Erkenntnisse persönlich auszutauschen und bin offen für Fragen und Inputs. Kontaktieren Sie mich einfach per Email oder LinkedIn.

Zühlke Dominic Böni
Ansprechpartner für die Schweiz

Dominic Böni

Business Development Manager

Dominic Böni hat langjährige Erfahrung im Bereich Innovation von Gebäudetechnik. Er war Teil einer führenden Sensorik Firma für Gebäudetechnik, ist Gründer eines Start-ups, welches sich mit der Kommunikation auf Baustellen beschäftigt und verantwortet bei Zühlke das Business Development im Bereich Gebäudetechnik. Dominic Böni hat einen Master in Physik, hält 17 Patentfamilien in seinem Namen. Er deckt sowohl den technischen Aspekt wie auch die Businessseite des Themas ab.

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