Erfahren Sie mehr über Omnichannel im Banking in unseren FAQs.
Omnichannel ist ein vielzitiertes Schlagwort. Meist versteht man darunter die aus Kundensicht möglichst nahtlose Verknüpfung und Orchestrierung unterschiedlicher Interaktionskanäle zu einem guten Kundenerlebnis. Im Kontext einer Bank heisst das konkret, dass ein Kunde nach seinen Bedürfnissen den Kanal wählen, ihn bei Bedarf wechseln und unterbruchsfrei nutzen kann, um Bankdienstleistungen in Anspruch zu nehmen.
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Kundinnen und Kunden in allen Altersstufen und über sämtliche Segmente hinweg haben sich in den letzten 20 Jahren dank Buchungsportalen für Reisen und E-Commerce längst daran gewöhnt, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Banken legen weiterhin grossen Wert auf den persönlichen Kontakt und sind für etliche Prozesse von physischen Touchpoints wie etwa dem postalen Zustellen von Dokumenten abhängig.
Dies erinnert an die grossen Warenhäuser vor ungefähr zehn Jahren. Sie wurden in kurzer Zeit von findigen Online-Händlern überrollt und kämpfen heute ums Überleben. Ein Grossteil der Kundschaft steht nämlich mittlerweile an einem völlig anderen Punkt als noch vor wenigen Jahren: Wenn sie ein Produkt oder eine Dienstleistung bestellen, möchten sie es selbst konfigurieren und sofort nutzen können. Sie wünschen Transparenz über den Verarbeitungsfortschritt, anstatt mehrere Tage im Ungewissen auf einen Brief der Bank zu warten.
Ähnlich den vorher zitierten Retailern stehen den traditionellen Banken neue Pureplay-Anbieter gegenüber, welche zumindest bezüglich der digitalen Kanäle laufend neue Standards setzen.
Oft meinen es Banken zu gut und wollen zu viel aufs Mal, weil sie annehmen, man müsse alle möglichen Interaktionen über alle Kanäle und für alle Kunden in kürzester Zeit verschmelzen. Diese Ambition passt nicht zu den gewachsenen Strukturen und Systemlandschaften der Banken und stellt eine Überforderung in der Umsetzung dar.
Eine strukturelle Herausforderung ist zudem die «Omnichannel-Falle»: Wenn klassische Kanäle (Filiale, Agentur, Callcenter), Online-Kanäle (Portal, eBanking, mobile Banking) und deren Verknüpfung auf einem brauchbaren Level weiterentwickelt werden sollen, stellt dies eine enorme finanzielle Belastung für die Bank dar. Die Omnichannel-Bank muss in allen drei Bereichen investieren, wogegen eine reine Neobank alles auf den Online-Kanal setzt und entsprechende Kompetenzen bündelt.
Wir sehen im Moment diverse Banken, die aus der Not heraus auf vermeintliche «Silver Bullets» in Form von Omnichannel-Standardlösungen setzen und in der Umsetzung merken, dass die Lösung nicht zu ihnen passt, schwierig anzupassen ist oder grosse Lücken aufweist. Zu guter Letzt besteht eine grosse kulturelle Herausforderung: So lange digitale Kanäle und deren Verknüpfung nur als Hygienefaktoren und Enabler für das traditionelle Geschäft angeschaut werden, gelingt die Transformation nicht. Die Mitarbeitenden müssen die Vorteile erkennen und verstehen und sie müssen sich anpassen. Dieser Prozess braucht Zeit, wie man aus anderen Branchen zur Genüge weiss.
Sich der digitalen Welt zu verschliessen, ist selbst bei zurückhaltenden Banken keine Option mehr. Aufgrund der Komplexität und der oben skizzierten Omnichannel-Falle müssen sich gerade kleinere und mittelgrosse Banken fragen, welche Rolle sie spielen möchten. Falls sie digital vorne mitmachen wollen, dürfte eine «digital first» Strategie einfacher sein.
Hiermit meinen wir eine bewusste Abkehr vom Versuch, die bisherige Bank-Infrastruktur mit viel Geld auf Mehrkanal zu trimmen. Stattdessen wird ähnlich einer Neobank ein flexibles Banksystem aufgezogen. Dieses funktioniert primär digital und spricht möglicherweise nur einen Teil der Kundschaft an. Sukzessive werden danach sinnvolle Multikanal-Fähigkeiten wie zum Beispiel eine Face-To-Face-Beratungslösung und weitere Geschäftsbereiche wie zum Beispiel Finanzierung oder Vorsorge ergänzt.
Wir glauben auch, dass sich eine Bank mit dieser Taktik eher von ihren monolithischen Applikationen und unflexiblen Prozessen lösen und sich so eine Zukunft in der Welt von Morgen sichern kann.
Stefan Hirzel stiess 2013 zu Zühlke und ist als Leiter Banking bei Zühlke Schweiz tätig. Er ist technikbegeistert und ein passionierter Geschäftsmann. Seine besondere Faszination gilt der Finanzbranche, wo er die angeführten Eigenschaften Tag für Tag in enger Zusammenarbeit mit unseren Kunden einbringt.