Tipps für die Einführung und Umsetzung einer agilen Produktentwicklung
Für die Konsumgüterindustrie bietet die agile Produktentwicklung den entscheidenden Vorteil, dass der Nutzer mit einbezogen werden kann. Sie können auf aktuelle Nutzer- bzw. End-Kunden-Trends reagieren, sowie kontinuierlich eigene Marktforschung betreiben.
1. Eine gemeinsame Sprache für alle Gewerke
Zühlke hat in den letzten Jahren intensiv daran gearbeitet, agile Arbeitsweisen aus der reinen Softwareentwicklung auf die Entwicklung vernetzter Konsumgüter, die aus Embedded Software, Elektronik, Mechanik und oft auch einer IoT-Lösung bestehen, zu übertragen.
Wesentliche Voraussetzung einer effizienten agilen Produktentwicklung ist eine funktionierende Kommunikation über alle Disziplinen hinweg. Dafür müssen sich die Beteiligten auf eine einheitliche Verwendung von Fachbegriffen einigen. Der Begriff Prototyp ist ein gutes Beispiel. Während ein Softwareentwickler einen Prototyp jederzeit wegwerfen würde, da es für ihn ein sehr frühes Muster ist, ist ein Prototyp für einen Mechaniker das Ergebnis einer langen Entwicklung und hat schon seriennahe Qualität.
Legen Sie daher ein gemeinsames Glossar an, mit eindeutigen Begriffen wie „Software-Prototyp“ und „Geräte-Prototyp“. Erst eine solche gemeinsame Sprache reduziert Missverständnisse und ermöglicht eine disziplinübergreifende Kommunikation.
2. Systemintegrationsplan
Weiterhin haben wir bei Zühlke in Anlehnung an den Release-Plan im Scrum einen Systemintegrationsplan als zentrales Steuerelement der gemeinsamen agilen Produktentwicklung eingeführt.
Auf Basis von Systemanforderungen, beispielsweise in Form eines Systembacklogs, definiert das Team die Reihenfolge der Entwicklungsschritte. Im Anschluss wird festgelegt, zu welchen Zeitpunkten, welche Versionen der Elektronik, Mechanik und Software zusammen funktionieren sollen. Auf diese Integrationspunkte muss jede Disziplin hinarbeiten. Natürlich dürfen dabei neben vielem anderem die Infrastruktur-, Test- und Dokumentationsaktivitäten nicht vergessen werden. Hat sich das Team auf einen solchen Systemintegrationsplan eingelassen, ist der Weg zu einer agilen Produktentwicklung gut vorbereitet.
3. Continuous System Integration statt Big Bang
Kommen wir jetzt zur Erkennung und dem Handling von Risiken. In agilen Projekten können wir Risiken früh angehen. „Continuous Integration“ ist in der Softwareentwicklung eine bekannte und wichtige Methode, um die Risiken der Integration der Softwaremodule möglichst früh anzugehen und zu beherrschen.
In einem Produktentwicklungsprojekt reicht es aber nicht aus, nur die Software intern kontinuierlich zu integrieren und die „fertige“ Software anschließend im Big Bang auf die Hardware und das fertige System zu integrieren. Selbst, wenn alle Disziplinen für sich vorher sauber gearbeitet hätten, kämen viele Details hoch, die zu nicht planbaren Analyse- und Korrekturschleifen führen können.
Wir dehnen die Continuous Integration daher auf alle Disziplinen aus. Die Integration der Software erfolgt zunächst auf einem Evaluation-Board und so früh wie möglich auf der projektspezifischen Hardware. Sobald wie möglich erfolgt ebenfalls die Integration der mechatronischen Systeme mit dieser Hardware. So werden die Integrationshürden früh angegangen. Um dabei Testkosten zu sparen, automatisieren wir viele der Integrationsschritte.
Nehmen wir zum Beispiel ein Produkt aus dem Bereich des Internet of Things. Hier fließen die Entwicklungsarbeiten für Geräte, eine App und das Backend kontinuierlich zusammen. Auch die sich ständig ändernden Markt- und Nutzeranforderungen gilt es zu beachten. Agile Methoden helfen Ihnen dabei, die einzelnen Komponenten richtig zu integrieren und das komplexe Projekt zu meistern.
4. Zeit gewinnen durch frühes Scheitern
Sollte es doch einmal zu einem Scheitern kommen, ist dies nicht schlimm. „Fail fast and fail cheap!“ - je früher Probleme als solche erkannt werden, desto mehr Zeit bleibt, sie anzugehen. Zusätzlich erhalten Sie die Möglichkeit, ein Projekt, das am Markt nicht erfolgreich sein wird, frühzeitig zu beenden und damit Projekt Budgets wirtschaftlich sinnvoll zu verwenden. Dieses agile Prinzip haben wir bei Zühlke in den letzten Jahren durch eine agile Produktentwicklung auf die Entwicklung kompletter Konsumprodukte übertragen.
5. Die richtige Organisation von Teams
Als letzten Tipp möchten wir Ihnen mit auf den Weg geben, dass Sie Teams nicht nach Disziplinen, sondern nach Baugruppen oder Features zusammenstellen.
Die Grafik zeigt eine interdisziplinäre Teamzusammenstellung aus Maschinenbauingenieuren, Elektroingenieuren und Softwareingenieuren. Während das Produkt den Status eines „Lab Models“, dann „Integration Models“ und schließlich „Close-to-Production Models“ erreicht, werden die Entwicklungsteams immer wieder neu zusammengestellt. Entscheidend ist dabei, welche Expertise in welchem Entwicklungsstadium in welchem Ausmaß benötigt wird. Die Teams sind nicht starr, sondern werden den Gegebenheiten angepasst. So kommen verschiedene Experten je nach den Anforderungen während der Produktentwicklung zusammen.
Wenn Sie diese fünf Tipps beherzigen, sind Sie bereits auf einem guten Weg zu einem erfolgreichen agilen Produktentwicklungsprozess.