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Nachhaltigkeit im Gesundheitssektor: Die Macht der Daten

In diesem Blogpost zeigen wir auf, wie Daten zu mehr Nachhaltigkeit beitragen können – und warum es dabei wichtig für Unternehmen ist, sich nach außen zu öffnen.

Data in Healthcare
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Daten bieten ein enormes Potenzial – im Guten wie im Schlechten.

Insgesamt sehen wir drei Möglichkeiten, wie Daten dabei helfen können, die Nachhaltigkeit im Health Ecosystem zu steigern:

  1. Daten können dabei helfen, die Gesundheitsversorgung insgesamt zu verbessern. Die Möglichkeiten gehen so weit, dass es zunehmend realistisch erscheint zu verhindern, dass Menschen überhaupt krank werden. Letzteres wäre die nachhaltigste Strategie und würde gleich auf mehrere Nachhaltigkeitsziele einzahlen. Das Problem: Aktuell gibt es wenig wirtschaftliche Anreize für Unternehmen, an diesem Ansatz zu arbeiten.
  2. Daten können dazu genutzt werden, um Produkte und die Produktion selbst nachhaltiger zu gestalten. Hier gibt es viele potenzielle Synergieeffekte – deshalb dürfte das für viele Unternehmen der attraktivste Ansatz sein.
  3. Daten können dabei helfen, die eigenen Produktion schneller an die Erfordernisse des Marktes anzupassen und so beispielsweise eine Überproduktion zu verhindern. 

1. Wie Daten die Gesundheitsversorgung verbessern können

Wenn es darum geht, eine Zukunftsvision des Health Ecosystem darzulegen, kommt man kaum an den „4 Ps“ vorbei: Participatory, precise, personalized, und preventive. Jedes einzelne dieser „Ps“ ist hochrelevant für das Thema Nachhaltigkeit – und jedes einzelne benötigt Daten.

  1. Participatory: Gesundheitsversorgung wird sich stärker dahin entwickeln, Menschen an der eigenen Gesundheitsvorsorge teilhaben zu lassen. Erste Schritte erleben wir bereits: Durch Apps und Wearables beschäftigen sich immer mehr Menschen bewusst mit ihrer eigenen Gesundheit – und beugen so beispielsweise Herz-Kreislauferkrankungen oder Diabetes vor. Die Basis hierfür sind Algorithmen, die es erlauben, entsprechende Verhaltensempfehlungen per App auszusprechen.
  2. Precise: Die Zeit der Blockbustermedikamente – die gegen weit verbreitete Krankheiten wirken und von fast allen Patientengruppen eingenommen werden können – neigt sich dem Ende zu. In Zukunft wird darum gehen, Therapien und Medikamente deutlich besser auf den einzelnen Menschen zuzuschneiden. Das verbessert die Heilungschancen und reduziert potenzielle Nebenwirkungen – erfordert aber auch viele Daten, um solche Therapien zu entwickeln.
  3. Personalized: Ist die Steigerung von „precice“ und bereits Realität. So ist das Medikament Kymriah (Tisagenlecleucel) von Novartis genau für den jeweiligen Patienten maßgeschneidert. Das Medikament hat eine hohe Erfolgsquote, kostet aber auch eine sechsstellige Summe. Weniger extreme Beispiele sind individuelle Ernährungsempfehlungen und Therapien. Hier spielen Daten und deren automatisierte Verarbeitung eine große Rolle, um solche Angebote skalieren zu können – und nicht nur einer kleinen, finanzkräftigen Minderheit zugute kommen zu lassen.
  4. Preventive: Der radikalste Ansatz unter den „4 Ps“. Hier geht es darum, mittels Algorithmen und auf Basis bestimmter Biomarker Krankheiten zu erkennen, bevor diese überhaupt ausbrechen. Auch dieser Ansatz benötigt viele Daten, um die entsprechenden Algorithmen zu entwickeln. Allerdings gibt es aktuell noch kaum Geschäftsmodelle für einen solchen Ansatz. Hier ist nicht nur der Gesetzgeber gefragt, um entsprechende Anreize zu schaffen. Auch Unternehmen müssen hier kreativ sein und möglicherweise ungewohnte Wege gehen – beispielsweise durch eine Zusammenarbeit mit Versicherungsunternehmen.

Woher kommen die Daten?

Vor allem Unternehmen im Pharmabereich sind bereits sehr engagiert, die „4 Ps“ in der einen oder anderen Form umzusetzen. Eine große Herausforderung ist es dabei jedoch, die entsprechenden Daten überhaupt zu bekommen. Denn der Umgang mit Gesundheitsdaten unterliegt nicht umsonst strengen Regeln. Und oft fehlt das Vertrauen von Patienten, um ihre Daten mit Unternehmen zu teilen.

Diese Einschränkung gilt nicht für die Nutzung von Daten aus der eigenen Produktion – oder für die Nutzungsdaten der eigenen Produkte (solange diese anonymisiert erhoben werden). Hier bieten sich spannende Möglichkeiten für Unternehmen. Vor allem, da mit diesen Daten nicht nur die Nachhaltigkeit erhöht werden kann.

2. Daten nutzen für nachhaltige Produkte und Prozesse  

Vor allem für Hersteller von Medizingeräten bietet es sich an, Daten zu nutzen, um die eigenen Produkte nachhaltiger zu gestalten. Viele Medizingeräte sind schon längst an das Internet of Medical Things (IoMT) bzw. Medical Internet of Things (MIoT) angeschlossen. Die Daten, die hierbei anfallen, können interessante Informationen zur Nutzung der Geräte liefern. Mit Hilfe von Digital Twins ist dann möglich, die Rücknahme, Reparatur, Wiederverwertung, die Lebensdauer oder den Energieverbrauch zu verbessern. Wenn sich beispielsweise aus den Nutzungsdaten ablesen lässt, dass ein Gerät viel Leerlaufzeiten hat, ergibt es Sinn, bei der Weiterentwicklung den Strombedarf im Standby-Modus zu reduzieren.

Die Nutzungsdaten sind zudem eine wichtige Grundlage für ein erfolgreiches Sustainability Engineering (siehe hierzu unseren Blogpost „Produkte und Produktion nachhaltiger gestalten“). Dazu kommt: Die Nutzungsdaten können auch dazu dienen, vollkommen neue Geschäftsmodelle ins Leben zu rufen. Das kann beispielsweise so aussehen:

  • Geräte, die Patienten nur während einer Therapie zu Hause nutzen, können als Leihgeräte konzipiert und vom Hersteller verleast werden. Hier bietet sich die Zusammenarbeit mit Krankenkassen an, die als Partner fungieren können.
  • Bei Maschinen in Krankenhäusern, die häufig genutzt werden, können Pay-per-Use-Modelle angeboten werden. So können Altgeräte schneller gegen energiesparende neue Geräte getauscht werden. Für den Hersteller bieten sich dabei weitere Vorteile, wie beispielsweise ein kontinuierlicher Value Stream während der Nutzungsdauer des Gerätes.
  • Die Nutzungsdaten können darüber hinaus auch verwendet werden, um neue Geschäftsmodelle zu implementieren, die sich am Behandlungserfolg orientieren. Solche Outcome-based-Bezahlmodelle dürften vor allem für Krankenversicherungen interessant sein und dem Gerätehersteller interessante Kooperationsmöglichkeiten eröffnen.  
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Industrial Internet of Things für mehr Nachhaltigkeit

Ebenfalls großes Potenzial für mehr Nachhaltigkeit bieten Daten aus der Produktion. Auch hier sind viele Maschinen bereits im Industrial Internet of Things (IIoT) – eine gewisse Datenbasis ist hier also oft bereits vorhanden. Ziel ist es vor allem, den Ausschuss zu minimieren oder den Einsatz von Rohstoffen und Energie zu optimieren.

Folgende Ansatzpunkte bieten sich hier besonders an:

  1. Analyse der vorhandenen Daten rund um Fehlchargen etc. Mittels Data Analytics lassen sich so oft entsprechende Einflussfaktoren identifizieren und reduzieren. Dadurch kann die Menge an Ausschuss deutlich reduziert werden.
  2. Eine weitere Möglichkeit, den produzieren Ausschuss zu reduzieren, ist Predictive Maintenance. Diese Methode erlaubt es, den Ausfall von Maschinen vorherzusehen und entsprechend zu reagieren. Das reduziert nicht nur den Ausschuss, sondern in erster Linie die nötige Downtime der jeweiligen Maschine.
  3. Produktionsdaten können dazu genutzt werden, um die eingesetzten Rohstoffe und die benötigte Energie zu reduzieren. Gegebenenfalls ergibt es beispielsweise Sinn, besonders energieintensive Prozesse in die Nacht zu verlegen, wenn der Strom günstiger ist. Oder auf sonnige Tage, wenn die eigenen Solarpaneele auf dem Dach viel Energie produzieren.

3. Marktdaten nutzen, um Resourcenverbrauch zu reduzieren

Eine dritte Möglichkeit, mit Daten eine höhere Nachhaltigkeit zu erreichen, ist es, Markt-Daten zu nutzen, um die eigene Produktion und Strategie zu optimieren. Demand Prediction ermöglicht es beispielsweise, die Nachfrage nach Produkten vergleichsweise präzise vorherzusagen. Somit lässt sich eine Überproduktion vermeiden. Gleichzeitig bieten sich aber auch weitere Vorteile für Unternehmen, wie Kosteneinsparungen und eventuell auch Wettbewerbsvorteile.

Darüber hinaus kann die Analyse von Marktdaten auch dazu beitragen, die Nutzung der eigenen Produkte besser zu verstehen und diese entsprechend anzupassen. Ein einfaches Beispiel hierfür könnte etwa der Hersteller eines Medizingerätes sein, das vor allem in Südostasien nachgefragt wird. Auf Basis dieser Erkenntnis kann er sein Produkt so konstruieren, dass es weniger kälteresistent ist und dafür bei hohen Temperaturen besser funktioniert. Das Ergebnis sind nicht nur zufriedenere Kunden, sondern auch weniger Geräte, die durch hohe Temperaturen beschädigt werden.

Marktdaten haben dabei für Unternehmen den großen Vorteil, dass sie oft vergleichsweise leicht verfügbar sind. Hier müssen keine Devices vernetzt werden, die Daten sind oft bereits in den ERP- oder CRM-Systemen vorhanden. Konsequent umgesetzt, ermöglicht dieser Ansatz vor allem Wettbewerbsvorteile und Kosteneinsparungen für die Hersteller – als positiver Nebeneffekt ist aber auch mehr Nachhaltigkeit möglich.  

Partnerschaften und Ökosystem als Erfolgsfaktoren

Ein Aspekt ist dabei sehr wichtig für Unternehmen, die Daten wirklich effizient nutzen wollen oder sich in Richtung Kreislaufwirtschaft entwickeln möchten: Sie müssen bereit sein, sich zu öffnen und Partnerschaften mit anderen Akteuren einzugehen. Hier sind viele verschiedene Kombinationen möglich, wie zum Beispiel:

  • Pharma- oder MedTechunternehmen, die mit Krankenversicherungen zusammenarbeiten, um präventive Lösungen anzubieten
  • Pharma- und MedTechunternehmen, die gemeinsam an kombinierten Therapien arbeiten
  • Pharma- oder MedTech-Unternehmen, die mit großen Technologieunternehmen zusammenarbeiten, um datengetriebene Lösungen zu entwickeln
  • MedTech-Unternehmen, die in Partnerschaft mit Krankenkassen Geräte verleasen oder outcome-based Bezahlmodelle vereinbaren.
  • Vernetzung von MedTech- Unternehmen mit anderen herstellenden Unternehmen als Teil eines Kreislaufwirtschafts-Ökosystems
  • Besserer Zugang zu aktuellen Nachhaltigkeitsdaten der Lieferunternehmen, um den ökologischen Fussabdruck der eigenen Produkte zu optimieren

Eine weitere Möglichkeit der Partnerschaft besteht im Austausch untereinander, um das Thema Nachhaltigkeit voranzutreiben. Im Gegensatz zum sonstigen Agieren von Unternehmen herrscht beim Thema Nachhaltigkeit weniger Konkurrenzsituation. Vielmehr wird ein Unternehmen alleine nicht nachhaltig werden können, es braucht dazu die Kooperation seiner Partnerunternehmen im jeweiligen Ökosystem. Zudem: Wenn auch andere Unternehmen besser werden, haben unterm Strich alle etwas davon. In diesem Sinn haben wir bei Zühlke beispielsweise einen Sustainability Circle ins Leben gerufen, in dem wir uns mit anderen Unternehmen und Experten zum Thema Nachhaltigkeit austauschen.

Ziel: Die Data Driven Company

Der Einsatz von Daten in Strategie, Produktentwicklung und Produktion funktioniert dann am besten, wenn ein Unternehmen sich konsequent in Richtung einer Data Driven Company entwickelt hat. Damit die Daten auch wirklich für mehr Nachhaltigkeit eingesetzt werden – und nicht nur für Effizienzgewinne – ist zudem eine etablierte Nachhaltigkeitsvision wichtig (siehe hierzu auch unseren Blogpost zu den Gründen, warum MedTech- & Pharmaunternehmen 2023 eine Nachhaltigkeitsvision brauchen). Noch mehr Traktion bekommt das Thema zudem, wenn Unternehmen auch jenseits der eigenen Grenzen denkt – und sich beispielsweise an „Data Ecosystems“ mit anderen Akteuren beteiligt. 

Erfahren Sie in Teil 4 dieses Blogpost-Serie, wie Produkte und Produktion im Gesundheitswesen nachhaltiger gestaltet werden können. 

Weitere Blogposts aus unserer Serie "Nachhaltigkeit im Health Ecosystem": 

Aud Frese, Senior Business Development Managerin, Zuehlke Deutschland
Ansprechpartner für Deutschland

Aud Frese

Senior Business Development Managerin

Aud Frese ist Senior Business Development Manager und Market Teamlead Medizintechnik & Gesundheitsindustrie bei der Zühlke Gruppe. Ihr Fokus liegt auf dem Gebiet der digitalen Innovationen, Businessstrategien und Produktentwicklung. Aud Frese ist studierte Medizin Informatikerin und verfügt über langjährige Erfahrungen in der Medizintechnik und dem Gesundheitsbereich.

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