Öffentlicher Sektor und Verwaltungen

Zentrale Blocker für Data Maturity: Beispiel schottisches Verkehrsnetz

Die Realität offener Daten bleibt oft hinter ihrer idealistischen Vision zurück. Daten, die auf den ersten Blick „offen“ erscheinen mögen, sind es nicht. Diese Diskrepanz wurde deutlich, als wir die Daten des schottischen Verkehrsnetzes untersuchten. Entdecken Sie die Herausforderungen bei der Erreichung von Data Maturity, die für Organisationen auf der ganzen Welt gelten, am Beispiel des schottischen Verkehrsnetzes.

Edinburgh skyline
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In den letzten zehn Jahren wurde in der ganzen Welt und insbesondere im Vereinigten Königreich viel über offene Daten diskutiert. Die Bedeutung von echter Data Maturity und optimale Wege dorthin sind spannende Themen für eine Reihe von Organisationen des öffentlichen Sektors, die ihre Abläufe rationalisieren, die Erbringung von Dienstleistungen verbessern und die Leistung steigern wollen.

Trotz des anhaltenden Diskurses und der Bemühungen bleibt die Realität offener Daten oft hinter ihrer idealistischen Vision zurück. Daten, die auf den ersten Blick „offen“ erscheinen, sind es nicht. Diese Diskrepanz wurde deutlich, als wir die Daten des schottischen Verkehrsnetzes untersuchten. 

Da Schottland in erheblichem Umfang in seine Dateninfrastruktur investiert, haben wir einen Blick auf die wichtigsten Dienstleistungen des Landes geworfen und untersucht, wie Betriebsdaten in verschiedenen Bereichen sinnvolle Effizienzsteigerungen und Verbesserungen der Dienstleistungen bewirken können. Wir starteten mit dem Verkehrssektor, und es entwickelte sich eine aufschlussreiche Reise zu den Herausforderungen, die der Realisierung wirklich offener, interoperabler und ausgereifter Daten im Wege stehen.

Dieser Artikel bildet den Auftakt zu einer umfassenden Studie, die in einer zweiteiligen Reihe die schottische Dateninfrastruktur in verschiedenen Sektoren untersucht. Im Folgenden werden einige der Herausforderungen bei der Erreichung der Data Maturity aufgedeckt, die für Organisationen auf der ganzen Welt gleichermaßen gelten. Von der Bewältigung von Fragen der Zugänglichkeit und Standardisierung bis hin zur Erforschung der allgemeinen Auswirkungen auf die Verbesserung von Dienstleistungen – begleiten Sie uns auf dem Weg zur Data Maturity. Wir nutzen das schottische Verkehrsnetz dabei als Beispiel, um die allgemeinen Herausforderungen und Chancen zu verstehen.

Warum sind offene Daten entscheidend für die Data Maturity?

Laut dem Open Data Institute (ODI), einer britischen Non-Profit-Organisation, die sich für die Förderung und Stärkung des Vertrauens in Daten einsetzt, sind offene Daten „Daten, auf die jeder zugreifen, die jeder nutzen und mit anderen teilen kann“. Im Einzelnen sollten gute offene Daten die folgenden vier Hauptmerkmale aufweisen:

  • Verfügbar: Die Daten können verlinkt werden, so dass sie leicht weitergegeben und diskutiert werden können.
  • Strukturiert: Die Daten sind in einem standardisierten, strukturierten Format verfügbar, das eine einfache Verarbeitung ermöglicht.
  • Konsistent: Daten haben eine garantierte Verfügbarkeit und Konsistenz im Laufe der Zeit, was Zuverlässigkeit gewährleistet.
  • Nachvollziehbar: Die Daten können bis zu ihrem Ursprung zurückverfolgt werden, so dass andere entscheiden können, ob sie ihnen vertrauen oder nicht.

Es ist von entscheidender Bedeutung, offene Daten im Hinblick auf ihre Interoperabilität klar zu definieren. Wenn der Begriff nicht richtig verstanden wird, kann er den Weg zur Data Maturity gefährden. Es werden Datensätze veröffentlicht, die nicht effektiv zusammenarbeiten, und so den Aufbau groß angelegter, komplexer Systeme behindern. Das ist genau das Problem, auf das wir gestoßen sind.

woman assessing data maturity challenges on a project

Zentrale Blocker für echte Data Maturity und Interoperabilität

Bei unserer Untersuchung der Daten des schottischen Verkehrsnetzes haben wir 14 Datensätze untersucht, darunter Zugangspunkte zu öffentlichen Verkehrsmitteln, Details zum Straßennetz sowie Zug-, Fähr- und Buslinien inklusive der entsprechenden Fahrpläne. 

Wir fanden mehrere Probleme mit den verfügbaren Datensätzen, die zwar offen liegen, aber nicht einfach zu bedienen sind. Einige Datensätze waren veraltet, andere enthielten unstrukturierte Daten oder Informationen fehlten ganz, was nicht mit der ODI-Charakterisierung guter offener Daten übereinstimmt.

Tatsächlich waren von den 14 untersuchten Datensätzen nur die offenen Daten von Network Rail in einem guten Zustand. Sie waren über eine API leicht zugänglich und enthielten eine Wiki-Dokumentation mit klaren Anweisungen, die kurz und verständlich waren.

Die Probleme, auf die wir gestoßen sind, sind echte Hindernisse auf dem Weg zu Data Maturity und Interoperabilität. Sie sind keineswegs auf das schottische Verkehrsnetz beschränkt. Wenn Sie also Ihre Organisation in den unten aufgeführten Herausforderungen wiedererkennen, ist es vielleicht an der Zeit, Ihre Dateninfrastruktur zu erneuern.

1. Überholte Datensätze

Eine der großen Schwierigkeiten, auf die wir stießen, waren veraltete Datensätze. Oft sind Informationen, die sehr interessant und relevant sein könnten, seit zehn Jahren nicht mehr aktualisiert worden. Dies warf sofort die Frage auf: „Wie kann es eine effektive Entscheidungsfindung geben, wenn diese Entscheidungen nicht einmal auf den neuesten Informationen beruhen?“

Beispiele für veraltete Datensätze:

  • NaPTAN: Das Schema des Datensatzes von Großbritannien, der alle Zugangspunkte zu öffentlichen Verkehrsmitteln enthält, wurde zuletzt 2014 aktualisiert, sodass die Bedeutung der einzelnen Codes manuell ermittelt werden musste. Außerdem waren die Daten selbst entweder in einem Stapel oder einzeln für jede lokale Behörde verfügbar. Um also Daten für Schottland zu erhalten, mussten alle 32 lokalen Behörden manuell ausgewählt und heruntergeladen werden.
  • Geografische Zugdaten: Sie wurden ebenfalls nicht regelmäßig aktualisiert und waren nur aufgrund eines Antrags auf Informationsfreiheit verfügbar
outdated datasets

2. Unstrukturierte Daten

Ein weiteres großes Hindernis für die Dateninteroperabilität sind Daten, die schlecht strukturiert sind oder keinem Standardformat folgen, was eine nahtlose Verbindung von Datensätzen unmöglich macht und zeitaufwändige manuelle Arbeit erfordert. Unsere Analyse ergab mehrere Datensätze mit unstrukturierten Daten, einschließlich merkwürdiger Namen, fehlender Anweisungen und allgemein schlechter Organisation.

Beispiele für unstrukturierte Datensätze:

  • Nationaler Traveline-Datensatz: Großbritanniens Datensatz mit Fahrplänen des öffentlichen Nahverkehrs für Busse, Stadtbahnen, Straßenbahnen und Fähren. Er hatte ein 300 Seiten langes Schema, das den Datensatz nicht in Worten erklärte, sondern stattdessen UML-Diagramme verwendete. Außerdem befand sich das Schema in Zip-Ordnern, die nicht explizit beschrieben waren, so dass es schwierig war, herauszufinden, wo sich die relevanten Daten befanden.
  • Fährdaten: Die Fahrpläne und Betreiberstatistiken werden von den einzelnen Unternehmen bereitgestellt und sind nicht zentralisiert. Infolgedessen ist alles unterschiedlich formatiert. CalMac hatte zum Beispiel monatliche Statistiken, Northlink dagegen jährliche. Bei den Fährfahrplandaten gab es keine offenen Informationen, sondern die Daten waren nur in PDF-Dateien verfügbar.
data

3. Fehlende Informationen

In einigen Datensätzen fehlten sogar die vorgesehenen Informationen. Eine große Herausforderungen insbesondere dann, wenn man versuchte, verschiedene Systeme miteinander zu verbinden und eine Analyse durchzuführen. 

Ein Beispiel für dieses Problem war der oben beschriebene nationale Datensatz Traveline. Nachdem wir alle Schemata untersucht hatten, stellten wir fest, dass einige Fahrpläne die Buszeiten überhaupt nicht enthielten, was den manuellen Aufwand überflüssig machte.

young woman reviewing data

Ein typisches Beispiel: Herausforderungen bei der Anbindung des ländlichen Schottlands an den öffentlichen Verkehr

Wie wirken sich diese Datenprobleme nun auf die Bewohnerinnen und Bewohner Schottlands aus?

Nach der internen Digitalisierung der schottischen Fahrplandaten wurde deutlich, dass die Bewohnerinnen und Bewohner des ländlichen Schottlands bei bestimmten Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln während der Arbeitswoche mit erheblichen Problemen konfrontiert sind. Insbesondere dann, wenn die Abfahrtszeit nicht genau festgelegt ist.

Dieses Problem ist auf das Fehlen zugänglicher, offener Daten und etablierter Datenpraktiken zurückzuführen, was die Integration von Informationen über verschiedene Verkehrssysteme hinweg schwierig macht.

Die vollständige Liste der von uns untersuchten Fahrten finden Sie hier. Im Folgenden gehen wir auf einige konkrete Schlüsselbeispiele ein.

  • Route von Edinburgh nach Peterhead

    Entfernung mit dem Auto: +/- 164 Meilen (die längste der drei verglichenen Strecken)
    Dauer mit dem Auto: +/- 3,25 Stunden

    Als wir uns die Ostseite Schottlands und insbesondere die Strecke von Edinburgh nach Peterhead ansahen, schien die Fahrplangestaltung kein Problem darzustellen. Die Wartezeit beim Umsteigen über Aberdeen ist relativ kurz. Unabhängig davon, an welchem Wochentag und zu welcher Uhrzeit Reisende losfahren. Außerdem bleibt die durchschnittliche Reisedauer über den Tag und die Woche hinweg mit rund fünf Stunden gleich.

    Edinburgh-Peterhead route Monday-Thursday schedule
    Edinburgh-Peterhead Friday schedule
    Edinburgh-Peterhead weekly
  • Route von Inverness nach Stromness

    Entfernung mit dem Auto: +/- 142 Meilen
    Dauer mit dem Auto: +/- 5 Stunden (einschließlich Fähre)

    Als wir den Nordwesten Schottlands und die Strecke von Inverness nach Stromness analysierten, die von den Kilometern her kürzer ist als die Strecke Edinburgh-Peterhead, begannen die Wartezeiten und die durchschnittliche Reisedauer zu steigen. Die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln würde mindestens 6,5 Stunden dauern. Allerdings nur, wenn Reisende mitten am Arbeitstag um 14.00 Uhr losfahren. Andernfalls schwankt die durchschnittliche Reisedauer zwischen 7,5 und 12,5 Stunden, wenn Reisende vor 14:00 Uhr aufbrechen, und steigt auf über 20 Stunden, wenn sie nach 14:00 Uhr aufbrechen, unabhängig vom Wochentag.

    Inverness-Stromness Monday-Thursday schedule
    Inverness-Stromness Friday schedule
    Inverness-Stromness weekly
  • Route von Tobermory nach Glasgow

    Entfernung mit dem Auto: +/- 130 Meilen
    Dauer mit dem Auto: +/- 4 Stunden (einschließlich Fähre)

    Schließlich untersuchten wir die Westseite Schottlands vom ländlichen Tobermory bis zu einer Großstadt wie Glasgow und stellten fest, dass die Komplexität der Fahrpläne weiter zunimmt. Die schnellste Fahrt in der Woche dauert etwas weniger als 6,5 Stunden. Wenn Reisende aber an einem beliebigen Wochentag nach 16:00 Uhr abreisen möchten, können sie Glasgow nicht mehr am selben Tag erreichen. Insgesamt sind die Wartezeiten zwischen den Verbindungen der öffentlichen Verkehrsmittel während der Woche auf dieser Strecke recht hoch, es sei denn, die Reisenden brechen zu ganz bestimmten Tageszeiten auf.

    Tobermory-Glasgow Monday schedule
    Tobermory-Glasgow Tuesday-Thursday schedules
    Tobermory-Glasgow Friday schedule
    Tobermory-Glasgow weekly

Kann das Problem der Verkehrsplanung in Schottland gelöst werden?

Die Diskrepanzen, auf die wir bei den schottischen Verkehrsdaten gestoßen sind, wirken sich direkt auf die Effizienz von Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus, insbesondere in ländlichen Gebieten. Das Fehlen einer nahtlosen Integration zwischen verschiedenen Verkehrssystemen führt zu längeren Wartezeiten und macht deutlich, dass die Interoperabilität von Daten nicht nur ein theoretisches Konzept ist, sondern eine konkrete Notwendigkeit, um das Leben der Menschen zu verbessern, die auf diese Dienste angewiesen sind. 

Um diese Herausforderungen zu bewältigen und ein effizienteres und besser vernetztes Verkehrssystem aufzubauen, ist ein strategischer Ansatz für die Datentechnik unerlässlich. Das Bereinigen und Organisieren von Datensätzen, die Gewährleistung ihrer regelmäßigen Aktualisierung und die Förderung standardisierter Formate sind entscheidende Schritte auf dem Weg zu einer echten Data Maturity.

Natürlich stellt die geografische Lage Schottlands eine natürliche Herausforderung dar. Vor allem wenn es darum geht, entlegene Gebiete, insbesondere im Westen des Landes, zu erreichen. Wir sollten uns jedoch nicht mit dem gegenwärtigen Status quo abfinden, sondern danach streben, das Transportsystem zu verbessern und moderne Technologien und Praktiken einzusetzen, um diese Hindernisse zu überwinden.

Verbesserung der Dienstleistungen an der Basis durch Data Maturity

Unsere Analyse der schottischen Verkehrsnetzdaten hat die zentralen Blocker für das Erreichen echter Data Maturity und Interoperabilität für Organisationen nicht nur in Schottland, sondern auf globaler Ebene aufgezeigt.

Die Herausforderungen, die sich aus veralteten Datensätzen, unstrukturierten Informationen und fehlenden Daten ergeben, unterstreichen die dringende Notwendigkeit einer konzertierten Aktion zur Verbesserung der offenen Datenpraxis.

Auf dem weiteren Weg ist es für die Beteiligten, einschließlich der Regierungsstellen und Verkehrsorganisationen, von wesentlicher Bedeutung, die transformative Kraft der Dateninteroperabilität zu erkennen. Investitionen in solide Datenentwicklungsverfahren, die Förderung der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Datenanbietern und die Förderung einer Kultur der Offenheit und Transparenz sind die Schlüsselkomponenten für den Aufbau der schottischen Datenzukunft.

Lassen Sie uns gemeinsam auf diese Zukunft hinarbeiten, in der Effizienz, Konnektivität und eine verbesserte Bereitstellung von Dienstleistungen für alle im Vordergrund stehen. Durch strategisches Datenmanagement und Zusammenarbeit können wir die derzeitigen Hindernisse überwinden und das volle Potenzial offener Daten ausschöpfen, um ein Verkehrsnetz zu schaffen, das wirklich den Bedürfnissen der Menschen dient.

man exiting train

Mitwirkende:

Charles Roadnight, leitender Dateningenieur bei Zühlke
Sherri Chuah, Professionelle Datenentwicklerin bei Zühlke
Tabitha Day, Professionelle Datenentwicklerin bei Zühlke
Neelesh Sonawane, leitender UX-Berater bei Zühlke
Anna Ronco, Expertin für UX-Design bei Zühlke

Danksagung:

Giuseppe Sollazzo, Leiter der Abteilung Datenprodukte und -dienste im Ministerium für Arbeit und Renten (ehemaliger Leiter der Abteilung Daten im Verkehrsministerium)