Versicherungen

Wie sich Versicherer über IoT-Anwendungen transformieren

So können sie ihren Kunden zum Beispiel mit Alltagshelfern wie einem smarten Einbruchschutz, einem digitalen Fitness Coach oder einem intelligenten Wassersensor einen Mehrwert bieten und sich Schritt für Schritt neue datengetriebene Geschäftsmodelle erschließen.

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  • Das Internet-of-Things (IoT) wird für Versicherer zunehmend attraktiv, um sich von Konkurrenten abzuheben und Kunden stärker an sich zu binden 
  • Doch IoT bietet auch die Möglichkeit, neue, datengetriebene Geschäftsmodelle zu entwickeln und einzuführen 
  • Dieser Beitrag zeigt auf, welche Strategie hierfür nötig ist und dass es nicht zuletzt auch Mut zum Experimentieren braucht 
8 Minuten Lesezeit

Der Einsatz von Anwendungen im Bereich Internet of Things (IoT) ist für Versicherer ein schlauer Schritt, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und gleichzeitig die eigene Digitalisierung voranzutreiben. <p>So können sie ihren Kunden zum Beispiel mit Alltagshelfern wie einem smarten Einbruchschutz, einem digitalen Fitness Coach oder einem intelligenten Wassersensor einen Mehrwert bieten und sich Schritt für Schritt neue datengetriebene Geschäftsmodelle erschließen.</p>

Mit der Ausgründung des Start-ups Mitipi hat der Schweizer Versicherer Helvetia einen wichtigen Schritt in die Internet-of-Things-Welt gemacht: Das junge Unternehmen hat einen virtuellen Mitbewohner entwickelt, der Einbrecher abschreckt, indem er durch Licht- und Soundeffekte den Eindruck vermittelt, dass jemand zu Hause ist. In das Smart-Home-Netzwerk integriert und über eine App gesteuert, kann er die Gewohnheiten verschiedener Bewohnergruppen simulieren. So ahmt er optisch und akustisch alltägliche Tätigkeiten wie Fernsehschauen, Klavierspielen oder Staubsaugen nach. Ob alleinlebend, in einer Wohngemeinschaft oder als Familie: Der Nutzer kann ein individuelles Persönlichkeitsprofil zusammenstellen, das die entsprechende Licht- und Geräuschkulisse erzeugt. Die Idee hinter dem smarten Alltagshelfer: Der Versicherer kümmert sich um die Sicherheit, damit der Schadensfall erst gar nicht eintritt.

Von der Konkurrenz abheben

Die Entwicklung solcher Produkte, die den Alltag ihrer Kunden erleichtern, ist für Versicherer auch aus weiteren Gründen ein sinnvoller Schritt – zunächst einmal, um sich von der Konkurrenz abzuheben. So kümmern sich die Gesellschaften bereits seit Jahren verstärkt um die Digitalisierung ihrer Kernprozesse. Damit werden sie effizienter und kundenfreundlicher – und erfüllen einen Standard, den die Versicherten zunehmend als selbstverständlich betrachten. Wettbewerbsvorteile verschaffen sie sich, wenn sie einen Schritt weiterdenken und auf Produkte setzen, die ihren Kunden nutzen und gleichzeitig Berührungspunkte zur Versicherung schaffen. Unternehmen, die jetzt mit der Entwicklung starten, haben gute Chancen, ihr Produkt zu platzieren. Denn auch wenn es bereits erste Beispiele gibt, stehen die smarten Alltagshelfer, die in den Innovation Labs der Unternehmen entwickelt oder auch in Kooperation mit den Herstellern entsprechender Produkte angeboten werden können, im Versicherungssektor noch ganz am Anfang. 

Für den Einstieg eignen sich Hardware-Produkte, die den Versicherten im Idealfall sogar täglich präsent sind wie Fitnessuhren oder Schlaftracker, die von Krankenversicherern bezuschusst werden. Ein weiteres Beispiel im Smart-Home-Bereich ist der Einsatz intelligenter Wassersensoren, der etwa bei einem Rohrbruch die Wasserzufuhr abdreht und den Vorfall an das Smartphone meldet. Versicherer wie HDI bieten ihren Kunden das System von Grohe zu einem vergünstigten Installationspreis an – und gewähren zudem einen Rabatt auf die Wohngebäudeversicherung. Um die für das eigene Unternehmen passenden Geräte und Services zu entwickeln, sollten die Versicherer beobachten, wo die Kunden innerhalb des Ökosystems, in dem sie tätig sind, zum Beispiel Gesundheit oder Transport, Schmerzpunkte haben. Um diese zu lindern, müssen sie dann nicht – wie in der bisherigen Logik üblich – unbedingt eine neue Police entwickeln, sondern können auf Services rund um die Versicherung setzen. 

Von Level eins auf Level vier: Die generierten Daten nutzen

Der smarte Einbruchschutz, digitale Fitness Coaches oder die Wassereinbruchmelder sind jedoch erst die erste Stufe des gezielten Einsatzes von IoT-Produkten im Versicherungsgeschäft. Noch weit interessantere Möglichkeiten ergeben sich auf weiteren Stufen über die gezielte Nutzung der Daten, die durch ihren Einsatz generiert werden können, sowie die Vernetzung innerhalb eines Ökosystems.

So geht es auf der zweiten Stufe zunächst darum, die generierten Daten für die Verbesserung des eigenen Angebots zu nutzen. Stellen die Kunden dem Versicherer bestimmte Daten zu Verfügung, können ihnen zum Beispiel Rabatte gewährt werden. Ein Beispiel für diese Stufe liefert der Zahnversicherer Beam aus den USA. Das Start-up, das in den vergangenen Jahren über 100 Mio. Euro Venture Capital eingesammelt hat, hat die elektrische Bluetooth-Zahnbürste Beam Brush entwickelt, die es an seine Kunden schickt. Diese erhalten für regelmäßiges und richtiges Zähneputzen einen Bonus. Ziel ist es, die Zahl der Zahnbehandlungen zu reduzieren und dem Kunden über Preisnachlässe einen Anreiz zu bieten. 

Auf Stufe drei wiederum geht es darum, sich über die IoT-Produkte innerhalb eines Ökosystems auszutauschen und zu vernetzen. Also zu überlegen: Mit welchen Partnern können mittels der gesammelten Daten Synergien erzielt werden? So können Win-Win-Situationen mit den Kunden, aber auch im gesamten Ökosystem entstehen. Beispiel: Ein Sensor im Auto erkennt einen möglichen Defekt am Wagen und meldet diesen gleich an die Werkstatt. 

Auf dem vierten Level vernetzen sind mehrere IoT-Devices miteinander und agieren teilweise autonom. So erkennen Sensoren etwa einen möglichen Ausfall einer Maschine, bestellen gleich die Ersatzteile und schicken nach deren Eintreffen den Reparaturtrupp los. 
 

IoT mit Zukunftstrends kombinieren

Für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle rund um den Einsatz von IoT-Devices sprechen ebenso wichtige Zukunftstrends auf dem Versicherungsmarkt:

1. Parametrische Versicherungen: 
Um aufwendige Schadenregulierungsprozesse zu vermeiden, zahlt der Versicherer, sobald bestimmte Parameter eintreten – etwa bei Serverausfällen, wie dies ein Start-up aus Israel bereits praktiziert. Ein weiteres denkbares Beispiel wäre bei der Zielgruppe der Landwirte eine Versicherung, die bei Dürre zahlt, sobald bestimmte Werte (zum Beispiel bei Trockenheit) erreicht sind, die über Geräte im Boden gemessen werden. 

2. Pay as you use
Prämien für Policen werden nicht länger pauschal für den Zeitraum von einem Jahr, sondern nach Nutzungshäufigkeit gezahlt. Dabei handelt es sich um ein Modell, das etwa bei der Versicherung von Maschinen immer häufiger zum Einsatz kommt. Der Grundgedanke: Wenn ich in meiner Fabrik eine Maschine nur drei Tage im Jahr brauche, dann will ich sie auch nur für diese Zeit versichern. Bieten andere Gesellschaften solche Modelle zum Beispiel auch im Rahmen von Autoversicherungen an, werden Pauschalpolicen zunehmend unattraktiv.

3. Embedded Finance
Versicherungen werden künftig häufiger gemeinsam mit anderen Produkten verkauft werden. Das bedeutet: Möglicherweise wird die Police gegen Wassereinbruch mit der neuen Spülmaschine und dem Wassereinbruchsmelder angeboten. Oder der Autoverkäufer verweist auf die Kfz-Versicherung, die mit der Telematik-Anwendung das Fahrverhalten aufzeichnet und entsprechende Rabatte gewährt. Dies eröffnet neue Vertriebskanäle.

Neue Geschäftsfelder erschließen 

Wie bei allen Innovationsprojekten ist auch im Bereich IoT der Erfolg in einem gewissen Maße planbar. Wichtig ist es dabei jedoch, sich nicht auf einzelne Projekte auf Stufe eins zu beschränken. Unternehmen sollten die Chance nutzen, und parallel die Voraussetzungen hinsichtlich ihrer Organisation und Infrastruktur schaffen, um auch die Stufen zwei bis vier angehen zu können. So werden sie früher oder später in der Lage sein, Services zu entwickeln, die sich auch unabhängig vom Abschluss einer Versicherung monetarisieren lassen. Auch das ist ein wichtiger strategischer Gesichtspunkt der Innovationstätigkeit. Schließlich wird Geld verdienen im „Kerngeschäft“ immer schwieriger. Zudem muss den Versicherern klar sein: Wenn sie selbst die neuen Geschäftsfelder nicht für sich erschließen, werden dies Start-ups ebenso wie die großen Technologiekonzerne wie Amazon und Google tun, die ihnen dann mit intelligenten Produkten Konkurrenz machen.

Mut zum Experimentieren

Und noch ein weiteres, besonders schlagkräftiges Argument für den zügigen Einsatz von IoT-Anwendungen: Werden Entwicklung und Einsatz der smarten Helfer im Unternehmen systematisch vorangetrieben, macht sich das Unternehmen anhand konkreter Projekte auf den Weg zur Entwicklung innovativer digitaler Geschäftsmodelle. Konsequent geht es Schritt für Schritt voran, statt auf der Stufe hochtrabender Strategien und Konzepte zu verharren. 

Grundsätzlich sollte die Entwicklung von IoT-Anwendungen deshalb nicht als Nischenthema für Innovation-Labs betrachtet werden, sondern als zentraler Bestandteil des digitalen Wandels eines Versicherers. Und ein großes Unternehmen sollte durchaus den Anspruch haben, nicht nur ein IoT-Projekt zu starten, sondern eine Vielzahl. Auf diese Weise kann es in bester Start-up-Manier experimentieren, Prototypen testen und anpassen und Ideen, die nicht funktionieren, auch wieder verwerfen. Es schlägt einen Weg ein, der den Wandel vorantreibt und direkt in neue digitale Geschäftsmodelle führt.

Der Artikel ist zuerst im Versicherungsmonitor erschienen.

Stefan Mühlenbruch, Head of Market Unit Cross Markets and Partner
Ansprechpartner für Deutschland

Stefan Mühlenbruch

Head of Market Unit Cross Markets & Partner

Stefan Mühlenbruch ist seit 2020 Teil von Zühlke und verantwortet die Market Unit "Cross Markets" in Deutschland. Gemeinsam mit seinen Teams fokussiert er sich auf die digitale Transformation von Unternehmen aus den Bereichen Energy, Retail, Travel & Transport, Telecommunications, Media und dem Public Sector. Für Stefan steht der konkrete Nutzen von Technologieprojekten im Vordergrund. Sein Leitprinzip: Technologie nicht um ihrer selbst willen, sondern zur Schaffung von Mehrwerten.

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