„KI ist sowohl ein magisches Werkzeug als auch eine Büchse der Pandora.“ So beschreibt Professorin Anjana Susarla das Spannungsfeld zwischen Chancen und Risiken beim Einsatz von KI in kreativen Kontexten. Für sie geht es nicht nur darum, ob KI etwas erschaffen kann, sondern was mit Kreativität, Vertrauen und menschlichen Fähigkeiten passiert, wenn Maschinen als Partner auftreten.
In einer aktuellen Folge von Tech Tomorrow sprach Gastgeber David Elliman, Chief of Software Engineering bei Zühlke, mit Anjana Susarla, Professorin für Responsible AI an der Michigan State University. Gemeinsam untersuchten sie die Zukunft der Kreativität in einer KI-gestützten Welt – mit der zentralen Frage: Können wir der KI als kreativem Partner vertrauen?
Zur Gesprächspartnerin: Professorin Anjana Susarla
Anjana Susarla ist eine führende Stimme im Bereich „Responsible AI“ und Inhaberin der Omura-Saxena-Professur am Eli Broad College of Business. Mit einem interdisziplinären Ansatz, der Technologie, Wirtschaftsethik und Data Science verbindet, konzentriert sich ihre Forschung auf KI-Governance, algorithmischer Voreingenommenheit und die sich wandelnde Beziehung zwischen Mensch und Maschine.
Ihre Perspektive vereint wissenschaftliche Tiefe mit Praxisrelevanz – und macht sie zu einer idealen Wegweiserin durch das dynamische KI-Feld.
Wichtige Erkenntnisse aus der Episode
Kreativität trifft Automatisierung
KI hilft uns bereits dabei, Aufsätze zu schreiben, Musik zu generieren oder Software zu programmieren. Doch Kreativität ist kein einzelner Schritt – sie ist ein iterativer Prozess aus Versuch, Irrtum und Verfeinerung.
Susarlas Forschung zeigt zwei gegensätzliche Tendenzen bei der KI-Nutzung in kreativen Prozessen: Automatisierungs-Bias (blindes Vertrauen in die Systemvorschläge) und Algorithmus-Aversion (Ablehnung, weil es „nur“ von einer Maschine kommt). Echte Zusammenarbeit bewegt sich oft irgendwo dazwischen – und fühlt sich dabei nicht immer komfortabel an.
Das De-Skilling-Dilemma
KI kann unsere Produktivität steigern – aber zu welchem Preis? Susarla verweist auf Experimente, in denen Studierende mit KI-Unterstützung bessere Ergebnisse erzielten, danach jedoch ohne Hilfe schlechter abschnitten. Die Gefahr: eine wachsende „kognitive Verschuldung“ – der schleichende Verlust eigenständiger Denkfähigkeiten.
Richtig eingesetzt, kann KI die Ideenfindung beschleunigen und den Zugang zu kreativen Prozessen erweitern. Falsch eingesetzt, kann sie Fähigkeiten abstumpfen und Abhängigkeiten schaffen – insbesondere bei Studierenden und Berufseinsteiger:innen. Die Botschaft: KI sollte ein Partner sein, kein Stützrad.
Das Risiko der Homogenisierung
Beide Gäste diskutierten die verschwimmende Grenze zwischen Einfluss und Originalität. Wenn eine KI ein Musikstück kreiert, das auf jahrzehntelangen menschlichen Werken basiert – ist das dann kreative Schöpfung oder raffiniertes Plagiat?
Wenn alle auf dieselben Modelle zugreifen, wird Individualität nivelliert. Schon heute bestimmen Algorithmen, was wir auf Spotify hören oder auf TikTok sehen. In Kombination mit KI-generierten Inhalten entsteht eine klare Gefahr: Kreativität verliert an Wert – ersetzt durch Massenproduktion ohne Besonderheit.
Statt echten, kuratierten Erfahrungen riskieren wir Feedback-Schleifen: Algorithmen generieren Inhalte, die dann von anderen Algorithmen empfohlen werden. Was verloren geht? Die Spontaneität einer persönlichen Buchempfehlung oder der einzigartige Musikgeschmack einer Kollegin. Wie Susarla fragt:
“Wo bleibt das echte, menschlich kuratierte Erlebnis – diese Authentizität? Müssen wir in Zukunft dafür extra bezahlen?”
Transparenz und Nachvollziehbarkeit
Für Susarla liegt die Lösung nicht im kategorischen Verzicht auf KI, sondern in Transparenz. Wir müssen fragen: Woher stammen die Trainingsdaten? Welche Schlüsse zieht das System? Und wie können wir die Ergebnisse verifizieren?
Auditierbarkeit ist dabei sowohl technisch als auch sozial: Neben Codeprüfungen braucht es ethische Rahmenwerke, die sicherstellen, dass kreative Outputs vertrauenswürdig, vielfältig und verantwortungsvoll genutzt werden.
Fazit
Können wir der KI als kreativem Partner vertrauen? Die Antwort ist – wenig überraschend – differenziert. KI kann ein mächtiger Assistent sein: als Recherche-Partner, Sparrings-Partner oder Inspirationsquelle. Doch echte Kreativität bleibt dem Menschen vorbehalten.
“Ich befürworte die transparente Nutzung von KI. Man sollte sie nur mit Bedacht einsetzen – und stets darauf achten, woher die Trainingsdaten stammen.”