Life Science und Pharma

Digital Health Platforms: Warum sie für Life-Science- und Healthcare-Unternehmen so wichtig sind

Digital Health Applications
  • An Daten mangelt es Unternehmen im Healthcare-Sektor nicht. Die Kunst ist, die Daten nutzenbringend auszuwerten.
  • Digitale Gesundheitsplattformen können Anwendenden den Datenzugang und damit die Speicherung und Nutzung der Daten ermöglichen und bilden damit die Grundlage für ganz neue Ökosysteme.
  • Die Auswahl und Implementierung einer Plattform haben daher erhebliche Auswirkungen auf das Unternehmen.
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Digitale Gesundheitsplattformen können für Life-Science-Unternehmen ein Schlüssel zur erfolgreichen Entwicklung innovativer digitaler Healthcare-Lösungen sein. Aber: Was genau steckt hinter diesen Plattformen und brauchen Sie diese wirklich?

Tag für Tag generieren und sammeln sowohl Pharma-, Medizintechnik- und Healthtech-Unternehmen als auch andere Einrichtungen im Healthcare-Sektor – etwa Krankenhäuser und Kliniken – mehr und mehr Daten.

Die große Herausforderung dabei: Die riesigen Datenmengen so nutzbar zu machen, dass sie tatsächlichen Nutzen für Patienten und deren Gesundheit bringen.

Beispielsweise führten Krankenhäuser weltweit im Jahr 2018 rund 3,6 Milliarden bildgebende Verfahren durch. Im Schnitt wurden dabei jeweils 50 Petabytes an Daten produziert (80 % davon Bilddaten). Ganze 97 % dieser Daten wurden nicht weiter genutzt oder ausgewertet. Verschenktes Potenzial, denn zweifellos hätten sich daraus nützliche Erkenntnisse ableiten lassen. Mit Hilfe von KI-Technologien wäre es etwa in der radiologischen Diagnostik möglich, aus den Bilddaten bestimmte Muster herauszulesen.

Das Beispiel zeigt: Wissen ist Macht, Daten an sich sind dagegen bloß Zahlen und Nummern. Die Kunst ist, die Daten nutzenbringend auszuwerten. Die Realität sieht aber noch anders aus: Gesundheitsdaten lagern aktuell meist in Datensilos und Legacy-Systemen. Der gesamte potenzielle Nutzen liegt brach.

An diesem Punkt kommen die digitalen Gesundheitsplattformen (Digital Health Platforms = DHP) ins Spiel: Sie können Anwendenden den Zugang zu den erfassten Daten und damit die Speicherung und Nutzung der Daten ermöglichen. DHPs bieten damit die perfekte Grundlage für die Entwicklung medizinischer Anwendungen (Medical Apps, digitale Therapeutika) und die Schaffung ganz neuer Ökosysteme, bestehend aus Healthcare-Einrichtungen und einer Vielzahl innovativer Startups.

Bevor wir aber tiefer in die Anwendungen einsteigen, kurz zur Klärung des Begriffs „Plattform“: Dieser wird nämlich in verschiedensten Kontexten verwendet. Und tatsächlich gibt es im Gesundheitssektor viele digitale Plattformen unterschiedlicher Art. Die wichtigsten sind:

  • Forschungsplattformen für die Erfassung bestimmter Gesundheitsdaten zu Forschungs- und Entwicklungszwecken (Flatiron, DNAnexus, IBM Watson Health …)
  • Telemedizinplattformen für die Vernetzung von Leistungserbringern und Patienten sowie die Erbringung virtueller Dienste (Amwell, Grandrounds, Teladoc …)
  • Software-Entwicklungsplattformen für die Entwicklung von Software als Medizinprodukt (Software as Medical Device, SaMD) (Voluntis Theraxium, Smartpatient, Affinial von S3 Connected Health …)
  • Plattformen für klinisches Datenmanagement für das Management klinischer Studien (Oracle ClinicalOne, Medidata, IQVIA …)
  • CRM-Systeme für Kundenbeziehungsmanagement (SalesForce …)
  • „Horizontale“ regulierte Technologie-Plattformen für die Erfassung und Nutzung von Gesundheitsdaten aus beliebigen Quellen und die Entwicklung von Apps, in Form von Platform as a Service (PaaS) (Siemens Healthineers, Philips HealthSuite, BrightInsight …).

    In diesem Blogpost werfen wir einen Blick auf die letztgenannte Form. Diese – speziell für den Healthcare-Sektor entwickelten und zertifizierten Plattformen – bieten IT-Teams einen rechtskonformen Rahmen für die Entwicklung medizinischer Apps, die sämtliche gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben erfüllen. Wir bezeichnen diese Plattformen als DHPs.

    Schließen Sie die Lücke zwischen Datenerfassung und Datennutzung

    Die gezielte Nutzung von Daten und Software als Medizinprodukt (Software as a Medical Device = SaMD) eröffnet große Möglichkeiten zur Verbesserung der Patientenversorgung, -diagnostik und -behandlung.

    Unternehmen können patientenzentrierte Lösungen für die gesamte Patient Journey anbieten und eine wesentlich effizientere Versorgung ermöglichen. Die Vision der „Präzisionsmedizin“ könnte endlich Wirklichkeit werden.

    Aber: Möglich ist das nur, wenn Daten effizient gespeichert, analysiert und genutzt werden können.

    DHPs haben das Potenzial, die Lücke zwischen den Systems of Record, in denen die Daten generiert und gespeichert werden (Geräte, klinische Aufzeichnungen, Drittlösungen), und den Systems of Engagement, in denen User mit den Daten interagieren (Ärzte- und Patientenportale, Apps und Kollaborationssysteme) nachhaltig zu schließen.

    Grafik DHP

    Bringen Sie Ordnung ins Datenchaos

    Patientendaten sind komplex. Entsprechend aufwendig ist daher auch der Lückenschluss zwischen Datengenerierung und Datenanwendung.

    Oft stammen die Daten aus verschiedenen Quellen und werden in unterschiedlichen IT-Systemen (jedes mit seiner eigenen Formatierung) gespeichert. Da sie auf individuellen medizinischen Interaktionen mit den jeweiligen Patienten beruhen, sind die verfügbaren Daten nicht immer einheitlich. Vor der Interpretation der Ergebnisse müssen daher potenzielle Verzerrungen bedacht und berücksichtigt werden.

    Noch schwieriger wird dies, wenn unterschiedliche Zugriffsberechtigte Daten zu Patienten oder klinischen Studien austauschen sollen. Je mehr Personen aus unterschiedlichen Bereichen Daten nutzen, desto komplizierter und teurer wird der Zugriff darauf. Zu beobachten ist dies etwa im medizinischen Internet der Dinge (Internet of Medical Things, IoMT), wo Softwareentwickler, Gerätehersteller und Cloud-Anbieter alle auf denselben neuen Markt drängen und Zugriff auf dieselben Daten beanspruchen.

    Erschwerend kommt hinzu, dass viele Data-Governance-Richtlinien von Juristen verfasst wurden, die diese – um datenschutzrechtlich auf Nummer sicher zu gehen – sehr konservativ formuliert haben. Bei aller nötigen und berechtigten Vorsicht bleiben dabei doch Fortschritte auf der Strecke, wenn das Datenpotenzial, das den Patienten zugutekäme, aus bürokratischen Gründen nicht ausgeschöpft werden kann.

    Eine gute DHP bietet die nötige Kompatibilität für die Zusammenführung verschiedener Datenströme und ermöglicht Unternehmen damit die Realisierung ihres Datenpotenzials, ohne Datenschutz, Datensicherheit und Datenqualität zu gefährden.

    Und dennoch garantiert eine gute DHP nicht automatisch ein erfolgreiches digitales Produkt. Aber sie liefert das solide Fundament, auf dem Sie aufbauen können.

    Key Requirements im Fokus

    Life-Science-Unternehmen müssen sehr spezifische Anforderungen erfüllen, weshalb die Wahl der richtigen Plattform umso wichtiger ist.

    Obligatorisches Kriterium ist dabei die Regulatory Compliance. Wer zum Beispiel ein neues Medizinprodukt entwickelt, muss bei den Behörden dafür eine Entwicklungsdokumentation (Design History File = DHF) einreichen. Darin wird detailliert beschrieben, wie das Produkt entwickelt wurde und wie es die behördlichen Vorgaben erfüllt.

    Ohne entsprechende Infrastruktur ist die Erstellung einer DHF aufgrund der umfassenden Dokumentationserfordernisse eine komplexe und zeitaufwendige Angelegenheit. Die richtige DHP kann dies wesentlich vereinfachen.

    Zeitersparnis in der Entwicklung ist ein weiterer wesentlicher Punkt. Daher bieten manche Plattformen – zum Beispiel BrightInsight – fertige Vorlagen für SaMD, um den Zeitaufwand in der Entwicklung zu reduzieren. Die Vorlagen berücksichtigen dabei laufend regulatorische Änderungen.

    Unternehmen behalten damit den Fokus auf der Funktionalität des Produkts, anstatt sich mit der Dokumentation der Entwicklungsdetails herumzuschlagen.

    Der Weg zur DHP: Make or buy?

    Es besteht durchaus die Möglichkeit, seine eigene DHP von Grund auf selbst zu entwickeln. Aber Life-Science-Unternehmen haben ihre Kernkompetenz in der Entwicklung von Arzneimitteln und Medizinprodukten, nicht in der Entwicklung von Apps und digitalen Plattformen.

    Machen Sie sich nichts vor: Die Entwicklung einer DHP verschlingt viel Geld, Zeit und Expertise. Laut BrightInsight können die Kosten für die Entwicklung einer Backend-Infrastruktur mit bis zu 20 Millionen US-Dollar zu Buche schlagen, zusätzlich ist für die laufende Wartung mit rund 10 Millionen Dollar jährlich zu rechnen.

    Der komplett gegensätzliche Weg zur Eigenentwicklung: Sie kaufen eine regulierte Gesundheitsplattform komplett „von der Stange“. Mehr dazu weiter unten.

    Und dann ist da noch der goldene Mittelweg: Suchen Sie sich einen Cloud-Anbieter mit der nötigen Expertise in der Entwicklung von Healthcare-Lösungen und mit Komponenten im Angebot, die den Auflagen im Gesundheitssektor weitgehend entsprechen. Weil es diesen Anbietern oft an der nötigen Fachkompetenz mangelt, ist darüber hinaus sinnvoll, mit einem Integrationspartner zusammenzuarbeiten, der fachlich in der Lage ist, die erforderliche Anpassung und Integration der Lösung durchzuführen.

    Viele Healthcare-Anbieter haben jedoch Bedenken, ob der Schutz der Patientendaten – Stichwort DSGVO – in der Cloud ausreichend gesichert ist. Daher setzen sie auf hybride Systeme in Form einer Kombination aus Cloud und unternehmensinterner Infrastruktur.

    Platforms as a Service (PaaS)

    Spezialisierte Medizintechnik-Anbieter wie Philips und Siemens Healthineers haben das oben beschriebene „Make-or-buy“-Dilemma erkannt und daher eigene Plattformen speziell für Life-Science-Unternehmen entwickelt, die auf deren Bedürfnisse zugeschnitten sind und alle geltenden Vorschriften erfüllen.

    Angeboten werden diese DHPs als „Platform as a Service“ (PaaS). Das bedeutet: Der Anbieter stellt die Plattform und die zugehörige Infrastruktur zur Verfügung. Der Kunde, das Life-Science-Unternehmen, liefert die Daten und entwickelt die Anwendungen, die diese nutzen.

    Das PaaS-Modell hat den Vorteil, dass Unternehmen einen skalierbaren Service auf Abonnement-Basis nutzen, bei dem sie keine eigene Infrastruktur aufbauen und betreiben müssen und sich die Herstellung der „First-Mile“-Konnektivität zu den Patientendatenquellen sparen. All die Herausforderungen, die mit der Entwicklung einer DHP einhergehen, wurden vom PaaS-Anbieter gelöst, der Kunde erhält eine einsatzbereite Lösung ohne Kinderkrankheiten.

    Weiterer Vorteil: Beim PaaS-Modell benötigen Unternehmen für die Entwicklung und Nutzung ihrer Anwendungen nur eine einzige Plattform. Das reduziert den Zeit-, Arbeits- und Ressourcenaufwand für die digitale Transformation und verkürzt die Time-to-Market.

    Darüber hinaus sind Zertifizierung, Regulatory Compliance, Sicherheit und Datenschutz bereits in der Lösung integriert. Es besteht auch die Möglichkeit, eigene „Bausteine“ speziell für Life-Science-Unternehmen zu nutzen. Dadurch kann die Entwicklung noch weiter beschleunigt werden.

    Natürlich gibt es keine DHP-Standardlösung, die für alle Unternehmen gleichermaßen passend ist. Da die Anforderungen der Unternehmen sehr individuell sind, unterscheiden sich die verschiedenen Plattformen teils erheblich (besonders hinsichtlich der Software-Architektur). Hier die richtige Auswahl mit den entsprechenden Auswirkungen auf das Unternehmen zu treffen, ist oft nicht einfach. Eine unabhängige und externe Beratung durch anbieterneutrale Fachleute kann bei der Auswahl des passenden Angebots daher sinnvoll sein.

    Beispiel aus der Praxis

    Ypsomed ist ein führender Hersteller von Injektions- und Infusionssystemen zur Selbstmedikation und entwickelt auch kundenspezifische Lösungen für Pharma- und Medizintechnik-Unternehmen.

    Vor einigen Jahren entwickelte Ypsomed einen „smarten“ Insulininjektor zusammen mit einem Gerät für die Selbstinjektion. Für die klinischen Studien musste das Unternehmen eine komplette Cloud-basierte Backend-Infrastruktur für die Vernetzung zwischen Patienten, Ärzten und Herstellern aufbauen.

    Ypsomed suchte sich dafür einen Partner und entschied sich für Philips. Das Unternehmen lieferte Ypsomed eine schlüsselfertige, digitale Lösung für die Überwachung der Therapietreue und das Management der angebundenen Devices auf seiner HealthSuite-Plattform.

    Dank HealthSuite hatte Ypsomed in weniger als sechs Monaten ein Minimum Viable Product (MVP) einer Private-Cloud-Lösung (die „YpsoCloud“) realisiert und damit erhebliche Kosten und Zeit für die Implementierung gespart.

    YpsoCloud koppelt die Smartphones der Patienten mit den verbundenen Injektionssystemen und überwacht relevante klinische und technische Daten sowie die Patienten-Compliance (Verabreichungszeiten und Dosierungen). Ypsomed managt den Insulininjektor über die Cloudverbindung und bietet Nutzern eine App, die ihnen zeigt, wie das Gerät zu bedienen ist. Für die Ärzte gibt es ein Dashboard, mit dem sie die Injektionen der Patienten überwachen und so klinische Entscheidungsprozesse optimal unterstützen können.

    Sind Sie bereit, tiefer einzutauchen?

    In diesem kurzen Blogartikel zu digitalen Gesundheitsplattformen haben wir lediglich einen ersten Überblick vermittelt. Tiefergehende Analysen und Empfehlungen finden Sie in unserem Whitepaper: Dieses befasst sich eingehender mit der DHP-Branche sowie den Stärken und Schwächen der wichtigsten DHPs auf dem Markt. Insbesondere gehen wir auch auf all jene Faktoren ein, die Sie beim Kauf einer DHP berücksichtigen sollten.

    Lesen Sie mehr in unserem DHP Whitepaper
    Blja
    Ansprechpartner für die Schweiz

    Blaise Jacholkowski

    Principal Engagement Manager
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