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Software als Medizinprodukt: Die sieben Erfolgsfaktoren von SaMD

Entdecken Sie die wichtigsten Fragen, um das volle Potenzial von Software as a Medical Device (SaMD) zu erschließen und erfahren Sie, wie Sie SaMD erfolgreich implementieren und so Ihr Unternehmen voranbringen können.

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Die digitale Transformation der Medizin durch Software as a Medical Device (SaMD) ist keine Zukunftsvision mehr, sondern schreitet rasch voran. Mit dem zunehmenden Einsatz von digitalen Medizinprodukten und Daten beobachten wir jetzt schon tiefgreifende Veränderungen in der Vorsorge, Diagnostik, Behandlung, Prognose, in der Ersteinschätzung sowie im Monitoring und Management von Krankheitsverläufen. Die Entwicklung von SaMD ist allerdings ein komplexer Prozess, weshalb bereits im Vorfeld gute Planung gefragt ist, um Probleme im späteren Verlauf zu verhindern.

Obwohl SaMD oft nur einen kleinen Teil einer regulierten Lösung ausmacht, können Fehler während der Entwicklungsphase große Auswirkungen auf die Gesamtlösung haben und eine effektive Skalierung verhindern, insbesondere, wenn das Produkt bereits im Umlauf ist. Mit der Erfahrung aus über 50 erfolgreich entwickelten Medizinprodukten empfehlen wir daher dringend, die SaMD-Entwicklung gründlich zu planen.

Was ist Software als Medizinprodukt?

Software as a Medical Device (kurz SaMD, auf Deutsch „Software als Medizinprodukt“) ist Software, die auf jeder Hardware – also nicht nur in speziell dafür vorgesehenen Medizinprodukten – genutzt werden kann. Die Hardware an sich ist insofern nicht relevant, da die medizinische Funktion ausschließlich von der Software erbracht wird. Die Software kann entweder auf einem Gerät (beispielsweise ein Smartphone) installiert sein oder in Verbindung mit einem Gerät stehen (wenn sie sich beispielsweise in der Cloud befindet). Bei der Nutzung im Gesundheitsbereich, mitunter auch in der Pflege, muss diese Software dieselben strengen Auflagen erfüllen wie jedes andere Medizinprodukt auch.

Um festzustellen, ob eine Software innerhalb der europäischen Union unter die SaMD-Kategorie fällt, hilft ein Blick in die Medical Device Regulation (MDR). Im Wesentlichen geht es jedoch um die Frage: Hat die Software eine medizinische Funktion („medical purpose“) oder nicht? Der Begriff „medizinische Funktion“ wird von den Behörden dabei sehr eng definiert. Falls eine Software keine medizinische Funktion hat, ist sie kein auch Medizinprodukt.

Beispiele für Software als Medizinprodukt

Die folgenden Lösungen sind allesamt als SaMD eingestuft:

  • Symptom-Checker in der NHS-App COVID-19
  • Apps, die kognitive Beeinträchtigungen diagnostizieren
  • Lösungen, die klinische Entscheidungen automatisieren (z. B. können sie Anomalien bei Bluttests erkennen)
  • Radiologie-Diagnose-Apps
  • Apps, die die Insulindosierung auf der Grundlage des Blutzuckerspiegels berechnen und anpassen (z. B. CamDiab)
SaMD example of a radiology diagnostics app
So haben wir eine SaMD für Leberdiagnostik entwickelt

Wichtige Überlegungen zur Entwicklung von SaMD

Unserer Erfahrung nach gibt es sieben wichtige Aspekte, die bei der Entwicklung und dem Aufbau von SaMD zu berücksichtigen sind.

1. Löst Ihr Produkt ein Problem in seiner Gesamtheit?

Bei der Entwicklung von SaMD ist man leicht versucht, den Fokus zu sehr auf die Technologie zu legen. Das kann zu einem Ergebnis führen, das ein Problem nur in einem Teilbereich statt in seiner Gesamtheit löst und damit nur bedingt von Wert sind.

Wir empfehlen stattdessen einen nutzerzentrierten Ansatz, der die ganzheitliche Betrachtung eines Problems der Nutzer in den Mittelpunkt stellt. Technologie dient dabei nur als Enabler und steht nicht im Mittelpunkt.

Besonders wichtig ist es dabei, unerwünschte Folgen zu bedenken. Mit der Lösung einer Facette des Problems schafft man womöglich ein neues Problem, das vorher noch gar nicht bestand. Ein Beispiel hierfür sind etwa falsch positive Ergebnisse in der Krebsfrüherkennung, die den Bedarf an Biopsien und CTs unnötig erhöhen.

2. Können Sie die Wirksamkeit belegen?

Bei Medizinprodukten generell, und SaMD im Besonderen, reicht die Entwicklung einer funktionalen Lösung an sich noch nicht aus. Um auch Marketing- und Finanzvorstände zu überzeugen, müssen Sie die praktische Wirksamkeit nachweisen, wozu mitunter aufwändige und kostspielige Studien oder klinische Versuche erforderlich sind. So gesehen besteht durchaus die Möglichkeit, dass Sie zwar ein wirksames Produkt entwickeln, dessen Wirksamkeit aber nicht ausreichend dokumentieren können.

Beispiel: Um nachzuweisen, dass Ihre Lösung die Müttersterblichkeit in Deutschland um 25 Prozent senkt, müsste jede einzelne Schwangerschaft landesweit über einen Zeitraum von zwei Jahren beobachtet werden. Ein Ding der Unmöglichkeit.

Überlegen Sie also noch vor Beginn der Entwicklung, wie Sie die Wirksamkeit Ihrer Lösung nachweisen wollen – denn nur so können Sie einen echten Gamechanger auf den Markt bringen, der das Investment rechtfertigt.

pie chart illustrating the impact of samd

3. Haben Sie Nutzer- und Datenaspekte ausreichend berücksichtigt?

Auch wenn Ihre Lösung in Testszenarios alle Erwartungen erfüllt: Haben Sie bedacht, welche Faktoren in der Praxis hinzukommen könnten? Einer der Hauptgründe, weshalb Lösungen trotz bravourös bestandener Tests in der praktischen Anwendung scheitern, ist die mangelnde Berücksichtigung der Frage, wann welche Nutzerdaten erfasst werden.

Nehmen wir als Beispiel ein Wearable Device, das Frühsymptome einer Parkinson-Erkrankung anhand von Ganganalysen diagnostizieren kann. In Tests brilliert das Produkt, es erkennt die Krankheit in einem frühen Stadium.

Doch der erwartete Vorteil dieser Frühdiagnose bleibt möglicherweise aus. Warum? Weil Nutzer erst einmal erkennen müssen, dass etwas nicht stimmt. Erst dann werden sie zur Lösung greifen. Dieser Umstand reduziert den Mehrwert erheblich.

Gleichermaßen kann die Datenerfassung den Erfolg Ihrer Lösung maßgeblich beeinflussen. Wenn erforderliche Daten nicht zum erforderlichen Zeitpunkt verfügbar sind, bleibt der geplante Nutzen vermutlich auf der Strecke. Prüfen Sie daher bereits im Vorfeld, noch bevor Sie mit einer Idee in die Entwicklung gehen, ob und wie das Produkt aktuelle und zukünftige Anforderungen der Nutzer und Daten berücksichtigt.

4. Wie skalierbar ist Ihre SaMD wirklich?

Wenn Sie eine Lösung anbieten können, die von Healthcare-Teams gut angenommen wird, ist das ein guter erster Schritt, aber leider kein Garant für durchschlagenden Erfolg. Dazu benötigen Sie eine ausreichend hohe Skalierbarkeit.

Healthcare-Lösungen werden häufig in einem bestimmten Setting entwickelt und getestet. Sie sind daher nicht zwangsläufig auch anderweitig einsetzbar. Wenn Sie die Skalierbarkeit gleich von Anfang an in Ihre Überlegungen einbeziehen, werden Sie mit Ihrer Software nicht nur ein konkretes Problem lösen, sondern können auch deren wirtschaftlichen Erfolg sicherstellen.

Planen Sie Ihre SaMD gleich von Beginn an so, dass sie nicht nur in einem bestimmten Setting einsetzbar ist. Es geht vor allem darum, die Marktbedürfnisse und die zugrunde liegende Infrastruktur jedes Ihrer potenziellen Kunden (Krankenhäuser, Allgemeinmediziner usw.) genau zu verstehen. Wenn Sie Ihre Lösung nicht an die Prozesse in all diesen Organisationen anpassen können, bauen Sie vielleicht ein wirklich tolles Produkt, das aber nur für einen kleinen Teil dieser Organisationen geeignet ist.

Wie können Sie also die Skalierbarkeit ihres Produktes sicherstellen? Der wichtigste Faktor: Marktforschung. Setzen Sie sich mit dem Markt auseinander und seien Sie flexibel. Gehen Sie nicht nur einen Weg und konzentrieren Sie sich auf die Entwicklung für eine Organisation. Treten Sie stattdessen einen Schritt zurück und schauen Sie sich genau an, was der Markt braucht, will und wie er sich verhält.

little planet effect illustrating scalability

5. Was ist Ihr Weg zur Erstattung?

Die Erstattungsmodelle in europäischen Gesundheitssystemen sind nicht immer offensichtlich. So ist es durchaus möglich, ein wirklich gutes SaMD-Produkt zu entwickeln, das zwar funktioniert, aber keinen Umsatz generiert, weil es keinen Mechanismus gibt, der dies ermöglicht. Bevor Sie mit der Entwicklung Ihres SaMD-Produkts beginnen, sollten Sie sich darüber klar werden, wie Sie für Ihre Bemühungen entlohnt werden wollen. Im Wesentlichen müssen Sie Ihr Geschäftsmodell skizzieren.

Dazu müssen Sie wissen, wer Ihr Zielkunde sein wird. In der DACH-Region und dem Vereinigten Königreich kann der Weg über den Direktvertrieb an den Verbraucher eine Herausforderung sein. Unsere Digital Health Studie 2023 hat gezeigt, dass die Menschen zwar MedTech-Lösungen wollen, aber nicht bereit sind, dafür zu bezahlen. Wenn Sie sich dennoch dafür entscheiden, ihre Lösung direkt an Endkunden zu vermarkten, müssen Sie sich darüber im Klaren sein, wer Ihre Zielgruppe ist, was sie wirklich braucht und wie Sie sie effektiv ansprechen können.

6. Wie werden Sie die Sicherheit Ihrer Lösung gewährleisten?

Die Sicherheitsüberlegungen für SaMD hängen natürlich von der Art der Lösung ab, die Sie entwickeln. Bei einem Symptom-Checker, wie dem, den unser Team für die COVID19-App des NHS entwickelt hat, müssen Sie vor allem die Daten schützen, die Sie sammeln, da personenbezogene Daten gemäß DSGVO besonders geschützt werden müssen.

Ein weiteres Element, an das Sie denken müssen, ist der Schutz Ihres Systems vor Cyberangriffen und die Gewährleistung, dass es durch einen solchen Vorfall in keiner Weise gefährdet oder beeinträchtigt wird. Schließlich ist das Gesundheitswesen aufgrund der riesigen Datenmengen, über die Krankenhäuser, Ärzte und Lösungsanbieter verfügen, ein wichtiges Ziel für Cyber-Kriminelle.

Wenn Sie beispielsweise über eine Cloud-Infrastruktur verfügen, die Klinik-Mitarbeiter:innen bei einer Verschlechterung des Zustands eines Patienten warnt, und Sie Opfer eines DDoS-Angriffs werden, den Sie nicht bewältigen können, kann das lebensbedrohliche Folgen haben. Um dies zu vermeiden, müssen Sie nicht nur die Lösung von Anfang an effektiv gestalten, sondern auch starke Cybersicherheitsmaßnahmen einführen.

Um die Sicherheit zu gewährleisten, müssen Sie Ihre SaMD von Anfang an richtig aufbauen und sich an bewährte Verfahren halten, d. h. im Vorfeld eine Risikobewertung vornehmen, gründliche Tests durchführen und so weiter. Wenn Sie ein Startup sind, mag es natürlich so aussehen, als hätten Sie weder das Geld noch die Zeit, dies zu tun. Aber das ist es wert, denn die Sicherheit ist definitiv die falsche Stelle, um Geld zu sparen.

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7. Wie können Sie die Time-to-Value verkürzen?

Bis eine SaMD-Lösung auf den Markt gebracht werden kann, müssen Sie umfassende Nachweise für die Erfüllung regulatorischer Vorgaben erbringen. Dies ist meist ein langwieriger Prozess. Prüfen Sie daher, welche zwischenzeitlichen Umsatzquellen Sie erschließen können.

Nehmen wir an, Sie möchten ein Tool zur Erkennung individueller Komplikationsrisiken entwickeln. Hierfür könnten Sie zunächst eine Lösung für ein verwandtes, jedoch nicht reguliertes Problem anbieten. Diese können Sie zunächst auf Populationsebene einsetzen und für Nachfrage- und Kapazitätsprognosen nutzen. Gleichzeitig können Sie so Umsätze generieren, noch während Sie an den Wirksamkeitsnachweisen arbeiten. So werden Sie sogar dafür bezahlt, dass Sie Ihr Produktrisiko reduzieren.

Wenn Sie mehr über die Beherrschung der SaMD-Entwicklung erfahren möchten, schauen Sie sich den vollständigen Vortrag an, den ich kürzlich zu diesem Thema gehalten habe.

Die Entwicklung von SaMD meistern

SaMD als Gamechanger

Die Entwicklung von SaMD geht mit ganz eigenen Herausforderungen einher. Umso wichtiger ist eine darauf abgestimmte Herangehensweise. Nur so erhalten Sie im Ergebnis eine SaMD-Lösung, die hochgradig effektiv und attraktiv ist und den rasanten Entwicklungen im digitalen Gesundheitswesen Rechnung trägt.

Der Schlüssel zum Erfolg ist dabei der Fokus auf Benutzerakzeptanz, Datenintegration und die Erfolgsmessung. Dazu kommt eine gezielte Planung im Vorfeld der Entwicklung, um unerwünschten Folgen vorzugreifen sowie um eine ausreichende Skalierbarkeit sicherzustellen.

Wenn Sie die hier beschriebenen Grundsätze beachten und stets den Endnutzer in Ihre Überlegungen einbeziehen, haben Sie beste Voraussetzungen für die Entwicklung von SaMD-Lösungen, die als echte Gamechanger sowohl das Outcome bei den Patienten als auch medizinische Prozesse nachhaltig verbessern werden.

Wenn Sie erfahren möchten, wie wir Ihnen bei der Erfolgsplanung Ihrer SaMD-Initiativen helfen können, buchen Sie einfach ein unverbindliches Erstgespräch mit dem Zühlke Team.

Thomas Rahn
Ansprechpartner für Deutschland

Thomas Rahn

Director Solution Center Medical/Pharma

Thomas Rahn ist Director Solution Center Medical/Pharma bei Zühlke. Mit über 20 Jahren als Entwickler und Berater in interdisziplinären Entwicklungsprojekten im medizinischen und industriellen Umfeld kennt er Methdoen und Technologien von der Elektronik über Mechanik und Embedded Software bis hin zu Apps und Software-Architekturen.  Er unterstützt in Healthcare-Projekten bei der Business-Betrachtung und bei regulatorischen Themen aber auch bei technischen oder methodischen Fragestellungen.

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