People and Culture

Von zu Hause aus Teams leiten – Remote Leadership und Kultur bei Zühlke

Insight Serie „Von zu Hause aus arbeiten, einstellen und Teams leiten“ – Teil 3 von 3.

Virtual leadership
7 Minuten Lesezeit

Zwei Teamleiter zum Thema Remote Leadership und...

  • Das Schaffen einer Vertrauensbasis im Homeoffice

  • Mit gutem Beispiel vorangehen für eine gesunde Work-Life-Balance

  • Auf- / Ausbau von remote teams - was ist zu beachten?

Vor neun Monaten hat Covid unsere Lebens- und Arbeitsgewohnheiten drastisch verändert und uns alle vor neue Herausforderungen gestellt. Wir bei Zühlke haben großes Glück, dass unser Geschäft trotz der Rezession weiterhin gut läuft, und wir unsere Teams weiter vergrößern können. Vor allem unsere Belegschaft in Manchester ist enorm gewachsen, von acht Mitarbeitenden zu Beginn des Jahres auf mittlerweile 27. Fünf Mitarbeitende und Führungskräfte, die diese Phase hautnah miterlebt haben, berichten von ihren Erfahrungen mit Wachstum, Remote-Teams, Herausforderungen und Unternehmenskultur bei Zühlke.

Insight Serie „Von zu Hause aus arbeiten, einstellen und Teams leiten“ – Teil 3 von 3.

Andrew West-Moore übernahm mitten im Lockdown die Führung von mittlerweile 23 Engineers, Consultants und Project Managers in Manchester.

Dave Clark begann Mitte 2020 als Leiter des neu geschaffenen Data-Solutions-Teams, das inzwischen auf 16 Data Engineers, Architects und Consultants in London und Manchester angewachsen ist.

Andrew, wie hat sich die Teamführung seit dem Lockdown verändert?

Andrew: Wie man ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Teammitgliedern aufbauen kann, hat sich verändert. Als ich mitten im Lockdown angefangen habe, musste ich aus der Ferne Beziehungen zu einem Team aufbauen, das die gemeinsame Arbeit in einem Open-Space-Büro gewohnt war. Wir mussten Methoden und Möglichkeiten ausprobieren, wie wir zusammenkommen können. Einzelgespräche sind jetzt viel wichtiger. Man muss herausspüren, wie sich der Lockdown auf den Alltag der einzelnen Person auswirkt – nicht nur was die Projektaufgaben angeht – und wie man sie durch unterschiedliche Arbeitsweisen unterstützen kann.

Dave, worauf muss man beim Aufbau eines Remote-Teams achten?

Dave: Das ist wirklich nicht einfach. Wir stellen derzeit eine Menge Leute ein, und obwohl wir bei der Auswahl sehr gründlich sind, ist es doch schwierig, im Video-Meeting ein Gefühl für die Person zu bekommen. Wir müssen uns besonders viel Zeit nehmen, um die Kandidatin oder den Kandidaten wirklich kennenzulernen. Andererseits ist es großartig, dass wir unser Netzwerk erweitern können und uns im Arbeitsalltag nicht mehr auf einen Personenkreis vor Ort beschränken müssen. Ich habe in letzter Zeit viel mit anderen aus unseren Niederlassungen in Deutschland und in der Schweiz zusammengearbeitet, und das hat hervorragend geklappt. Früher haben die meisten am liebsten mit einem vor-Ort Team gearbeitet. Weil das jetzt nicht mehr geht, mussten wir uns darauf einlassen, europaweite Teams aufzubauen – und haben so Zugriff auf deutlich vielfältigere Skillsets. 

Wie hat sich die Remote-Arbeit auf die interne Zusammenarbeit innerhalb der Zühlke Gruppe ausgewirkt?

Andrew: Was unsere internationalen Verbindungen angeht, so hat Zühlke immer schon als Gruppe zusammengearbeitet. Aber durch die Homeoffice Situation sind noch mehr Grenzen gefallen und wir haben jetzt viel mehr Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ländern. Das habe ich in den vergangenen vier Monaten beobachtet und auch selbst erlebt. Ich habe mich zum Beispiel mit unserem Team in der Schweiz ausgetauscht, um mich über die QA-Tester-Rolle zu informieren, bevor wir diese Position hier in Großbritannien eingeführt haben. Wir haben diesen „Zühlke Group“ Ansatz vorher schon verfolgt, aber das Remote-Set-up beschleunigt und intensiviert diese Erfahrung.

Dave: Das sehe ich auch so. Zühlke hat außergewöhnlich gute Leute an allen Standorten und es ist fantastisch, grenzüberschreitend zu kooperieren. So können alle Zühlke Kollegen in ganz Europa voneinander lernen. Ich arbeite derzeit mit einem deutschen Delivery Manager zusammen, der eine ganze Reihe von Skills, Techniken und Arbeitsweisen mitgebracht hat, die für mich neu waren. Und umgekehrt ist es genauso: Wir haben mehrere Sessions durchgeführt, die sie in Deutschland so noch nicht kannten, und die sie jetzt übernehmen.

Was sind die neuen Prioritäten, wenn man remote ein Team aufbaut?

Andrew: Es geht vor allem darum, extrem präzise zu kommunizieren und Erwartungen zu definieren. Aus der Ferne muss man das bewusster tun. Man muss den Menschen das Gefühl vermitteln, dass sie Teil von etwas sind, auch wenn sie zu Hause im Schlafzimmer, im Wohnzimmer oder am Küchentisch sitzen. Ich nutze jetzt auch vermehrt die Möglichkeit, neue Mitarbeiter ausschließlich nach ihren Fähigkeiten mit einem Kollegen zusammenzuführen, unabhängig davon, zu welcher Niederlassung sie gehören oder wo sie wohnen. Wenn man heute ein Team aufbaut, muss man unbedingt eine entsprechende Kultur für dieses dezentrale Arbeiten mitentwickeln. Die Angehörigen des Teams sollen diese Kultur ja nicht nur gutheißen, sondern auf ihre individuelle Weise auch leben. 

Dave: Es geht auch darum, die sozialen Aspekte zu bewahren. In unserem Team trinken wir morgens vor den Stand-up Meetings erst einmal einen Kaffee zusammen. Das sind 15 oder 20 Minuten Smalltalk, die extrem helfen Beziehungen aufzubauen, die normalerweise im Büro entstehen würden. Wir müssen jetzt nur besser aufpassen, damit sich alle einbringen und niemand außen vor bleibt. Virtuell und dezentral ist das schwieriger, aber wir müssen uns in dieser Hinsicht bemühen und uns etwas einfallen lassen.

Habt ihr Tipps, wie man dieses soziale Element im Team pflegen kann?

Andrew: Es ist wichtiger geworden, dass man bewusst Anlässe für informelle Gespräche schafft. Manchmal ist das durch die Homeoffice-Situation sogar leichter. Wenn beispielsweise die Kinder ins Bild rennen oder die Katze auf den Schreibtisch springt, entstehen manchmal persönlichere Gespräche, die wir so im Büro nicht hätten. 

Neulich hatten wir auch ein großartiges wöchentliches Team Meeting in Manchester: Normalerweise diskutieren wir dort durchaus ernsthafte Fragen, wenn auch informell. Diesmal ging es aber um unser jeweiliges Lieblingssandwich! Das kam total gut an. Da waren Leute mit unglaublichen Kreationen in ihren Top Five. Andere haben sich einfach über den Enthusiasmus amüsiert, mit dem man ein Butterbrot belegen kann. Dann hat sich noch jemand als „Corned-Beef-Fan“ geoutet und gemeint, das sei langweilig. Aber da kam von den anderen gleich die Reaktion: „Ich LIEBE Corned Beef!“. Das hatte für uns alle etwas sehr Verbindendes – und Appetitanregendes ...

Dave: Informelle Situationen tragen zum Gemeinschaftsgefühl bei – und die Führungskräfte müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Die Zeiten sind informell: es ist OK, auch mal zu relaxen; es ist OK, nicht gut drauf zu sein; es ist OK, um Hilfe zu bitten; und es ist OK, Nein zu sagen.

Wir haben jetzt Besprechungen in unserem relativ jungen Team, in denen wir unseren Verhaltenskodex und die Grundsätze entwicklen, an die sich das Team halten wird. Viel stärker als früher geht es dabei jetzt auch um unser psychisches Wohlbefinden. Und das aus gutem Grund. Es ist einfach notwendig, weil die Leute vor ganz neuen Herausforderungen stehen. Das müssen wir uns klarmachen und uns um diejenigen kümmern, die mal jemanden brauchen um sich auszusprechen oder eine kleine Auszeit nehmen müssen. Es sind seltsame und belastende Zeiten für uns alle.

Im Durchschnitt arbeiten wir täglich 48 Minuten länger als vor Covid (Quelle: National Bureau of Economic Research). Was tut Ihr im Hinblick auf die Work-Life-Balance in euren Teams?

Dave: Da sind tatsächlich manche Hürden gefallen – und das hat nicht nur Vorteile. Da darf man sich nichts vormachen. Ich habe immer dafür plädiert (auch vor Covid), dass das Team sich nicht überarbeitet und ein nachhaltiges Tempo einhält. Ganz wichtig ist meiner Meinung nach, dass auch die Führungskräfte hier gewisse Spielregeln einhalten. Dazu gehört zum Beispiel, dass man keine E-Mails außerhalb der regulären Arbeitszeiten versendet. Mir ist das selber auch schon passiert, dass ich jemanden schon früh am Morgen kontaktiert habe, weil die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen. Aber als Führungskraft muss man sich das stärker bewusst machen. 

Andrew: Ja, da bin ich absolut derselben Meinung. Diese Mitteilungen außerhalb der regulären Arbeitszeit gab es ja auch vor Covid schon. Aber jetzt ist das noch gravierender, denn der Laptop steht ja praktisch auf dem Nachttisch. Und dann ist da noch ein wichtiger Faktor: die Trennung von Arbeit und Privatleben. Welche Routine kann den Heimweg von der Arbeit ersetzen, damit wir irgendwann wirklich abschalten und Arbeit Arbeit sein lassen können? Wenn ich kein Ende finde, fängt meine andere Hälfte provokativ an, in der Küche herumzuklappern. Und irgendwann kriege ich eine SMS: „Abendessen steht auf dem Tisch“. Dann weiß ich, dass es wirklich Zeit ist, Feierabend zu machen.  

Dave: Das ist ja eine hervorragende Lösung. Zu Beginn des ersten Lockdowns habe ich mir jeden Tag um 17.30 Uhr Zeit frei gehalten, um mit meiner Tochter Netball zu spielen. Das war ein klares Feierabendsignal. Aber manchmal es ist schwer, gute Gewohnheiten beizubehalten und inzwischen tun wir es leider nicht mehr … 

Andrew: Wenn wir ehrlich sind, müssen wir wohl zugeben, dass wir noch nicht die richtige Balance gefunden haben. Und Leute mit Führungsverantwortung müssen sich ihrer Vorbildrolle bewusster werden und mit guten Beispiel vorangehen.

Legen Bewerberinnen und Bewerber neu auf andere Dinge Wert bei der Auswahl eines Arbeitgebers als vor der Pandemie?

Dave: Dass wir uns bei Zühlke um unsere Mitarbeitenden kümmern, war für uns schon immer oberste Priorität, und das wird neu sicherlich mehr geschätzt und findet Anklang bei den Fach- und Nachwuchskräften, die sich in der gegenwärtigen Situation nach einer Stelle umsehen. Ein neues Teammitglied hat mir gegenüber neulich auch seine Entscheidung mit den beruflichen Aufstiegs- und Weiterbildungschancen begründet, für die wir ganz bewusst sorgen.

Andrew: Ich würde sagen, dass mehr Bewerberinnen und Bewerber mit uns auch über Covid und die persönlichen Auswirkungen sprechen. Sie scheinen sich eher einem Unternehmen anschließen zu wollen, dem sie vertrauen können und das ihnen Stabilität bietet. Was die Zusatzleistungen angeht, so wird gefragt, ob sie überhaupt Zugang zu Büroräumlichkeiten haben werden oder ob wir beim Home-Office-Set-up helfen können. Dinge wie ein schickes Büro und kostenloses Mittagessen sind definitive in den Hintergrund gerückt.

Was steht bei Zühlke Manchester in den nächsten Monaten an?

Andrew: Wachstumsmäßig sind immer noch ein paar Stellen zu besetzen, allerdings haben wir unsere Belegschaft seit Anfang des Jahres bereits verdreifacht. Somit betreffen die weiteren Entwicklungen am Standort Manchester jetzt weniger ein weiterhin exponentielles Wachstum, sondern mehrheitlich die Festigung einer Kultur, mit der wir die Grundlagen für eine erfolgreiche Laufbahn unserer Mitarbeitenden dort schaffen.