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Maintenance muss smart werden

predictive maintenance helps improving machinery performance
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  • Wie kann man im Maschinen- und Anlagenbau Einsparpotenzial verwirklichen?

  • Durch Predictive Maintenance erzielt man präzise Voraussagen über zukünftige Ereignisse wie etwa dem Ausfall von Maschinen.

  • Um die Effizienz dieser vorausschauenden Instandhaltung voll zu nutzen, spielt eine hohe Qualität der verwendeten Daten eine große Rolle.

Predictive Maintenance – das verheißt mehr Effizienz, eine höhere Overall Equipment Efficiency (OEE) und eine höhere Lebensdauer der eingesetzten Maschinen. Doch was genau verbirgt sich hinter dieser Definition? Darum dreht sich der erste Teil dieser Blogpostserie.

Prinzipiell geht es bei Predictive Maintenance darum, mit Hilfe von statistischen Verfahren zukünftige Ereignisse erfolgreich und präzise vorherzusagen. Bei den Ereignissen handelt es sich um den Ausfall von Maschinen bzw. deren Komponenten. Der Schlüssel zum Erfolg liegt dabei in den Mustern vergangener Ereignisse.

Der Aufstieg von Predictive Maintenance im Maschinenbau hat viel damit zu tun, dass die Wartung von Maschinen in den vergangenen Jahrzehnten ein beliebter Bereich für Outsourcing war, was zu einer stetig wachsenden Bedeutung der Branche der Industriedienstleistungen (IDL) geführt hat. Eine neuere Entwicklung ist dabei, dass die Zustandsüberwachung und Instandhaltung von Maschinen immer stärker als Teil der Produktionsprozesse wahrgenommen und auch so behandelt werden. Für externe Dienstleister aus dem IDL-Bereich nicht immer eine einfache Situation. Schließlich sind ihre Aufgaben oft eng mit den Kernkompetenzen ihrer Kunden verknüpft – und gleichzeitig eine zentrale Voraussetzung für deren unternehmerischen Erfolg.

Grundsätzlich gibt es verschiedene Möglichkeiten und Modelle, wann Maschinen gewartet bzw. Verschleißteile ausgetauscht werden:

  • Reactive Maintenance: Ein Bauteil wird dann ausgetauscht, wenn es kaputt ist bzw. sobald man bemerkt, dass es seine Funktion nicht mehr den Anforderungen entsprechend erfüllt.
  • Preventive Maintenance: Der Austausch der Teile findet in regelmäßigen Intervallen statt, die sich an der Laufzeit oder der produzierten Stückzahl orientieren. Dadurch verringert sich bereits die Ausfallzeit der Maschinen – wobei es natürlich sein kann, dass Komponenten ausgetauscht werden, die noch eine lange Laufzeit vor sich hätten.
  • Proactive Maintenance: Hier wird versucht, durch verschiedene Maßnahmen – beispielsweise ein besseres Training der Maschinenbediener, dem Ausfall von Komponenten und Maschinen insgesamt entgegenzuwirken. Dadurch kann es möglich sein, die Ursachen für den Ausfall von Maschinen selbst zu bekämpfen.

Darüber hinaus gibt es noch verschiedene Möglichkeiten, wie mithilfe von Sensoren der Zeitpunkt der Wartung oder eines Austauschs noch präziser bestimmt werden kann:

  • Condition-based Maintenance: Schad- oder fehlerhafte Komponenten werden ausgetauscht, sobald ein Sensor Anzeichen dafür liefert, dass diese beschädigt sind. Das kann beispielsweise auch im Rahmen der Qualitätskontrolle geschehen, wenn etwa festgestellt wird, dass die hergestellten Produkte nicht mehr den Anforderungen genügen.
  • Predictive Maintenance: Hier geht es darum, den Zeitpunkt des Ausfalls einer Komponente möglichst präzise vorherzusagen.
  • Prescriptive Analytics: Maschinen versuchen, Probleme selbst zu korrigieren, etwa, indem sie einzelne Parameter anpassen und sich so „selbst heilen“. Dieses Modell ist aktuell noch Zukunftsmusik, auch wenn die Technologie hierfür bereits existiert.

Präzise Voraussagen mit Predictive und Prescriptive Maintenance

Sowohl Predictive als auch Prescriptive Maintenance arbeiten dabei mit Erfahrungswerten. Algorithmen klassifizieren den Zustand von Anlagen- oder Maschinenteilen, die als „in Ordnung“, also lauftüchtig, oder als „fehlerhaft“ eingestuft werden und zwar in Abhängigkeit von Daten aus dem Fertigungsprozess wie beispielsweise Druckverläufen, Schwingungen oder Temperaturveränderungen.

Anschließend können die Erfahrungswerte einer Event History Analyse – auch bekannt als Ereigniszeitanalyse, Verlaufsdatenanalyse, Survival Analysis oder Zuverlässigkeitsanalyse – unterzogen werden. Hierbei handelt es sich um ein Fach der statistischen Analyse, bei der die Zeit bis zu einem bestimmten Ereignis zwischen Datengruppen verglichen wird, um die Wirkung von prognostischen Faktoren oder schädlichen Einflüssen zu schätzen. Diese Analyse kann bei allen statistisch erfassten Messobjekten angewendet werden, die im Laufe der Erfassung sukzessive ausscheiden.


Mithilfe der so gewonnenen Erkenntnisse können Modelle für den erwarteten Verschleiß erstellt und anhand der automatisch aufgezeichneten Sensordaten trainiert werden. Die Qualität dieser Modelle kann im Rahmen eines iterativen Verfahrens stetig verbessert werden. Das Ergebnis ist dann ein Vorhersagemodell, dass anhand aktueller Sensordaten den Zustand der Verschleißteile und den Zeitpunkt, wann sie ersetzt werden müssen, angeben kann. Der große Vorteil: Da die bei der Erstellung angewandten Lernverfahren alle Einflussgrößen miteinbeziehen, zeigt es auch bislang nicht beachtete Zusammenhänge auf.

Die Datenqualität ist entscheidend

 

Wie viel Potenzial im Thema Predictive Maintenance für Firmen im Maschinen- und Anlagenbau steckt, kann das folgende Beispiel verdeutlichen: Ein Modell sagt den Ausfall eines wichtigen Kugellagers an einer Produktionsmaschine in vier Tagen mit einer 90% Wahrscheinlichkeit voraus. Ein Austausch des Kugellagers bedeutet acht Stunden Ausfall der Maschine. Auf Basis der Vorhersage ergeben sich Möglichkeiten für automatische Geschäftsentscheidungen:

  • Anforderung des Ersatzteils aus dem Zentrallager
  • Zuweisung eines anstehenden Eilauftrags an einen anderen Standort
  • Terminierung des Bauteiletausches für den übernächsten Tag, da die aktuelle Charge dann fertig produziert sein wird
  • Reservierung der Servicetechniker für den geplanten Austauschzeitraum
  • Anpassung der Produktionsreihenfolge für den nachfolgenden Auftrag, um den geplanten Maschinenausfall abzufedern

All diese Entscheidungen sind mit einem großen Einsparpotenzial verbunden, da sie die Standzeit der Maschine und den Ausschuss reduzieren sowie dazu beitragen, dass vereinbarte Lieferfristen eingehalten werden.
Die Vorteile von Predictive Maintenance liegen also auf der Hand. Doch die Voraussetzungen hierfür sind gar nicht so trivial: Der wichtigste Punkt ist die Qualität der verwendeten Daten sowie aller Prozesse der Erfassung und Verarbeitung. Dazu kommt: Die Herausforderungen von Predictive Maintenance müssen für die Stakeholder genauso transparent sein wie Erfolge. Vor allem die Unternehmensleitung muss klar nachvollziehen können, welchen Wertbeitrag das neue Instandhaltungsprogramm liefert, damit es auch weiter gefördert wird.

Wie man mit diesen Herausforderungen umgeht, damit beschäftigt sich der zweite Teil dieses Blogbeitrags, der in den kommenden Wochen auf diesem Blog erscheinen wird.

Zu weiteren Artikeln der «Future of Industry»-Reihe:

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